Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I/Der Fundevogel

Dornröschen Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I von Johannes Bolte, Jiří Polívka
51. Der Fundevogel
König Drosselbart
Für verschiedene Auflagen des Märchens der Brüder Grimm siehe Fundevogel.

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51. Der Fundevogel. 1856 S. 86.

1812 nr. 51 von der Friedrike Mannel, aus der Schwalmgegend in Hessen.

Es wird auch erzählt, daß die Köchin die böse Frau des Försters war, und Fragen und Antwort werden anders gestellt, z. B. ‘Ihr hättet die Rose nur abbrechen sollen[WS 1], der Stock wäre schon nachgekommen.’ – Voß hat das Märchen in seiner Jugend erzählen hören, wie er 1801 (Idyllen S. 374) in den Anmerkungen zu der 1778 verfaßten Idylle ‘Der Riesenhügel’[1] angibt: ‘Aus einem Märchen, das ich in der Kindheit hörte, behielt ich dieses. Ein Zauberer, der vor einer Hexe entfloh, zog seine bezauberten Stiefel an, sagte: ‘Vor mir Tag und hinter mir Nacht’[2] und wandelte durch die Luft, neun Meilen mit jedem Schritt. Als ihn dennoch die Hexe auf ihren Pantoffeln einholte, entschlüpfte er ihr, immer umsonst, in mancherlei Truggestalten und zuletzt als ein stürmisches Meer, welches die Hexe austrank’. Ähnlich lautet die mecklenburgische Erzählung bei Mussäus, Jahrbücher 5, 82 nr. 7 ‘Die Hexenkunst’ = Bartsch 1, 129 = Colshorn nr. 69.

Der Fundevogel gehört zusammen mit dem liebsten Roland (nr. 56), dem Okerlo (nr. 70a), der Wassernixe (nr. 79), den zwei Königskindern (nr. 113), der wahren Braut (nr. 186) und dem Trommler (nr. 193) zu einer Märchengruppe, welche folgende Motive [443] enthält: A. die Lösung schwieriger Aufgaben mit Hilfe der Geliebten (oft der Tochter des Zauberers) – B. die wundersame Flucht des Liebespaares, entweder mit Verwandlungen oder mit Auswerfen hemmender Gegenstande – C. das Vergessen der Braut durch einen Kuß, den der Jüngling vermeiden sollte, – D. die während der Hochzeit mit einer neuen Braut wiedererweckte Erinnerung des Jünglings, entweder in der dritten der bei der zweiten Braut erkauften Nächte oder durch ein Gespräch der ersten Braut mit einem Tier oder durch ihren Kuß.

Die vollständigste Fassung liegt in den zwei Königskindern (113: A B¹ C D¹) vor, wo auch eine Vorgeschichte die Entführung des Helden durch den Hexenmeister berichtet; der Trommler (193: A C D¹) bietet außerdem die Gewinnung und den Verlust einer Schwanjungfrau; der liebste Roland (56) enthält die Motive B¹ C D, die wahre Braut (186) die Motive C D, und in diesen beiden Märchen hat nicht der Jüngling die Aufgaben zu lösen, sondern die von der Stiefmutter[WS 2] gehaßte Jungfrau. Im Fundevogel (51) und Okerlo (70a) findet sich nur das Motiv B¹, in der Wassernixe (79) nur B². Genauere Angaben folgen unter nr. 113.

Die Aufziehung des Findlings (dies bedeutet Fundevogel nach J. Grimm, Myth. ³ S. 1035 und Rechtsaltertümer ⁴ 1, 634. Uhland, Schriften 3, 280) im Försterhause erinnert an den Okerlo (nr. 70a) und die beiden Königskinder (nr. 113). In einem zu nr. 68 angeführten pommerschen Märchen und einem angeblichen Volksliede erscheint nicht das Mädchen als zauberkundige Leiterin der gemeinsamen Flucht, sondern der Knabe. – Die Verwandlungen auf der Flucht kommen, wie schon bemerkt, noch in nr. 56 (Der liebste Roland), 70a (Der Okerlo) und 113 (Die zwei Königskinder) vor.


  1. Dort v. 148 ruft eine Hexe:

    Tauch in die schwellende Weser, ja schreit in magischen Stiefeln,
    Vor dir Tag und hinter dir Nacht, neun Meilen auf einmal!
    Werd auch ein stürmendes Meer! Auf Regenbogen die Nacht durch
    Folg ich mit schnellerer Sohl und trinke das stürmende Meer aus.

  2. Dieselbe Zauberformel lautet bei Mussäus, Die Nymphe des Brunnens: ‘Hinter mir Nacht und vor mir Tag, | Daß mich niemand sehen mag.’ Vgl. unten zu nr. 65.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: solchen
  2. Vorlage: Stiefmuttter
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