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Titel: Alter Schwindel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 415
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[415] Alter Schwindel. Unter den modernen Schwindeleien, von denen uns Nr. 23 der Gartenlaube mehrere vorführte, war auch eine, die mit der Braunschweiger Lotterie in einem Zusammenhange war; dabei fiel mir ein lustiges Stückchen aus längstverklungenen Zeiten ein, welches wohl originell genug war, die Leute damals zu amüsiren, und das vielleicht heute wiedererzählt werden dürfte.

In einem der letzten Decennien des vorigen Jahrhunderts – wenn es nicht etwa später war – hatte der mächtige Amor, der damals ebenso gewaltig, wie jetzt, ja in der Siegwartperiode vielleicht noch mehr, die Herzen der Sterblichen in Aufregung versetzte, einen jungen Apotheker-Gehülfen entbrennen lassen für eine ehrsame Jungfrau und war einem Widerhalle seiner Empfindungen begegnet. Das Mädchen war sehr hübsch, gesund und unbescholten, aber arm wie eine Kirchenmaus, und letzteres war der Apotheker auch. Häßlicher Umstand, wenn man sich gern heirathen möchte und doch an die Zukunft mit ihren Bedürfnissen denken muß! Seine Anstellung in dem kleinen Städtchen Camburg in Thüringen war auch keine solche, wo Schätze gesammelt werden konnten, und bis auf den Nimmermehrstag wollten die Feurigliebenden nicht warten. Unser Pillendreher war ein anschlägiges Köpfchen und mit Zubilligung seiner Geliebten ergriff er folgendes Auskunftsmittel.

Sein Mädchen ließ sich ausspielen. Ein gefälliger Kupferstecher legte die reizenden Gesichtszüge der für diesen Fall sich Aurora Fortuna nennenden Unternehmerin als Medaillon nieder auf ein Lotterieloos in 30tausendfacher Vervielfältigung. Die Glücksscheine sahen allerliebst aus, kosteten nur einen Thaler das Stück, und angelehnt an die gothaische oder Braunschweiger Lotterie – ich weiß nicht genau welche – mit ihren 30.000 Loosen, wurde auch damals schon Reklame geübt und des Apothekers ganzer Bekanntenkreis für den Loosvertrieb mit in Anspruch genommen. Der ausgegebene Prospectus erläuterte, daß der Inhaber derselben Nummer, welche in der etc. Landeslotterie den Hauptgewinn hinwegtragen würde, der einzige Gewinnende sein würde, und zwar von einer jungen, schönen Braut mit 30.000 Thalern Mitgift. Ist’s möglich? Das ist ja Menschenhandel, und so etwas kann keine der damaligen vielen thüringischen Regierungen zugegeben haben! Und doch war es so, nur gemildert durch die Modalitäten, die der Prospectus gleich nachfolgen ließ. Es war nämlich festgestellt:

1) wenn der Gewinner nicht geneigt sein sollte, die Aurora Fortuna baldigst an den Traualtar zu führen, würde er völlig freie Hand behalten, sich dann aber nur mit einem Drittel ihren Mahlschatzes, also zehntausend Thalern, begnügen müssen, während der Rest dem verschmähten Glücksmädchen verbleiben sollte. 2) Ebenso sollte der Aurora ihre persönliche Freiheit gewahrt bleiben und sie berechtigt sein, von dem Ehebunde Umgang zu nehmen, wenn sie nicht Lust zeige, mit dem Gewinner fürder durch das Leben zu wandeln, auch wenn derselbe sich dazu völlig bereit erklärt haben würde. Statt der Braut sollten ihm aber immer zwei Drittel des Vermögens bleiben, weil die Spröde sich mit dem Reste von zehntausend Thalern zu begnügen haben würde etc.

So hatte unser Apotheker mit seiner Aurora die Sache ganz plausibel eingefädelt. Letztere war natürlich Willens, jeden Gewinner des Looses als künftigen Gatten zu verschmähen und sich mit einem Drittel des Capitals gern zu begnügen, um der alten Flamme treu zu bleiben. Sie aber war, es mochte kommen wie es wollte, kein armes Mädchen mehr, und der Pharmaceute würde dann schon wissen, was er zu thun habe. Also tapfer drauf los! Die Sache ging, die Loose verthaten sich, denn das Bildniß war gar lieblich, der Spaß kostete ja nur einen Thaler, und Mancher interessirte sich dabei, dem es eigentlich gar nicht zukam oder der seine liebe Junggesellenwirthshaft doch nicht hätte aufgeben mögen.

Da erfolgte die Ziehung, und … o schäkerhafter Zufall! der Gewinner war ein glücklich verheiratheter Mann, der einmal in heiterer Weinlaune sich ein Loos gekauft hatte und nun selbstverständlich das Original seines schönen Portraits im Stich lassen und sich mit den 10.000 Thalern begnügen mußte, während Aurora, mit ihren verbliebenen 20.000 zur Fortunata geworden, sich ihrem Liebhaber freudig in die Arme warf, der nichts Eiligeres zu thun hatte, als sich irgendwo eine Apotheke zu kaufen und sein Hauswesen zu begründen.

Klingt wie Roman, ist aber völlig wahr. Ich habe Leute noch gesprochen, die die Aurora gekannt haben wollten.