Textdaten
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Autor: Hans Rösch
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Titel: Allerlei alte Biere
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aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 52
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Allerlei alte Biere.

Wer eifrig alte Chroniken studiert, wird oftmals in Staunen darüber versetzt, daß man im Mittelalter Wein selbst in Gegenden baute, in welchen auch in normalen Jahren die Beeren so hart wie Flintenkugeln geblieben sein dürften. In ganz Norddeutschland wurde der Weinbau betrieben und selbst der Wein der Stadt Thorn in Westpreußen erfreute sich einst großen weitverbreiteten Rufes. Man darf nun aber nicht glauben, daß die Trinker diese Sauerampfer mit Todesverachtung hinter die Binde gegossen haben; sie wußten sich zu helfen. Sie mischten dem sauren Weine Honig bei, um ihn süß und genießbar zu machen, und setzten ihn mit Gewürzen und Spezereien aller Art, mit würzigen Kräutern und aromatischen Früchten an, um seinen Wohlgeschmack zu erhöhen. Und ein solch zurechtgemachtes Getränk ließen sich die mittelalterlichen Trinker ebensogut schmecken wie wir uns eine Bowle, bei welcher auch ein geringer Wein zu Ehren kommt.

Aehnlich, wenn auch nicht ganz so, verfuhr man in früheren Jahrhunderten mit den Bieren. Diese waren auch nicht immer gut und ließen oft zu wünschen übrig, was von den „Bierkiesern“ schmerzlichst empfunden wurde. Da half man sich nun ebenso wie man sich bei dem sauren Wein geholfen hatte. Roch ein Bier unangenehm nach dem Fasse, so wurden Reinfarnkraut, Wacholderbeeren, Heiligengeistswurzel, rote Benediktenwurzel und drei frische Eier in das Faß gehängt oder gelegt: „es half“. Um das Sauerwerden des Bieres zu verhindern, hing man Lindenblätter, Nußblätter, Beifuß und Wermut in dasselbe. Damit ein Bier lieblich zu trinken sei, wurde empfohlen, ein halbes Pfund der schon erwähnten roten Benediktenwurzel mit wildem Salbei darein zu hängen; lieblicher Geruch und Geschmack wurden ihm durch ein Säcklein Violwurz oder gestoßene Gewürznelken und gedörrte zerschnittene Lorbeern verliehen. „Ein schmackhaft und männlich Bier“ ward gewonnen durch Beisetzung von Hartenhayn, im Mai gesammelt. Füllte man ein Faß, in welchem vorher Beerwein gewesen, mit Bier, so bekam dies einen Weingeschmack „und ward schön lauter und gar zu gut zu trinken“.

Diese Biere wurden also verbessert, um sie genießbarer zu machen. Aber man machte auch aus guten Bieren Kräuterbiere aller Art, die dann den doppelten Zweck hatten, den Durst zu stillen und den ans Bier gewohnten Trinkern, die mit irgend einer Krankheit belastet waren, gleichzeitig als Arznei zu dienen.

Sehr stattlich war die Reihe dieser Kräuterbiere. Das Rosmarinbier sollte alle vornehmsten Glieder des Körpers, „das Herz, Gehirn und die Geister“, stärken und kräftigen, gegen Verstopfung helfen, Appetit erregen und war „ausbündig gut den Melancholicis“. Letzteren wurde auch Hirschzungenbier empfohlen, das auch jenen, die an der Milz litten oder das Quartanfieber hatten, trefflich gut sein sollte. Das Scordienbier half wider Kolik, Grimmen, Lungen- und Lebergebrechen und kalten Magen. Das Lavendelbier stärkte Haupt, Rückgrat und Nerven. Es wird auch bezeichnet als „ein köstlich Ding wider den Schlag, schwere Gebrechen, Gicht und Lähme“. Melissenbier sollte aus traurigen melancholischen Menschen fröhliche Leute machen, das Herz und die lebendigen Geister stärken, den Frauen sehr gesund und nützlich sein. Auch das Nelkenbier stärkte das Herz, das Gehirn, alle Glieder und den Magen und galt als „gut vor alle kalten Krankheiten des Haupts“. Es scheint, daß alle Kräuter, welche das Volk zu Arzneien gebrauchte, auch zum Würzen der Biere verwendet wurden. Es gab dann auch noch Biere, die nicht mit einem einzigen, sondern mit einer Anzahl von Kräutern angesetzt wurden; von diesen sollte man meistens morgens und abends einen starken warmen Trunk thun.

Einige Biere, die mit nicht weniger als zehn Kräutern präpariert waren, sollten vorzüglich gegen innerliche Wunden sein. Sollte einer seinen Magen „mit Wassertrinken verletzt“ haben, so wurden ihm gestoßene Zimmetrinden in warmem Bier empfohlen. „Wer des Tages weit gereiset und sich sehr übergangen hätte, der wasche die Schenkel mit warmem Bier, das ziehet die Müdigkeit alle aus, nicht allein den Menschen, sondern auch den Pferden“ etc. Es brauchte einer daher nur zur richtigen Zeit die verschiedenen Biere anzuwenden, und er war von allen Leiden befreit.

Nach der Meinung der Alten waren viele Biersorten schon in gewöhnlichem Zustande ohne jede Kräuterzuthat der Gesundheit des Menschen sehr förderlich. Dem seiner Zeit weitberühmten Hamburger Bier wurde nachgesagt, daß es wohl nähre, gut Geblüt mache und „eine schöne subtile glatte Haut“ dem bringe, der sich öfters damit wasche. Es diente also auch als kosmetisches Mittel! Aber nur bei äußerlichem Gebrauche. Denn dem, der zuviel desselben genoß, brachte es „ein kupfern Gesicht“. Auch das Goslarische Bier nährte, wärmte und brachte gut Geblüt; im Alter schmeckte es wie Wein. Man machte gar gute gesunde Suppen davon, die wie Weinsuppen schmeckten. „Wann Einer das Fieber hat, so ist demselbigen Menschen kein Bier lieber und angenehmer, ja auch gesunder als das Eimbeckische Bier.“ Das Brandenburger Bier machte faule, schläfrige Leute, woher es seinen Namen „der alte Claus“ haben sollte – „ist aber sonsten ein gut Bier“. Das Spandauer Bier machte ruhig und sanft schlafen, das Boytzenburger aber machte toll im Kopf und hieß daher „Bit den Kerl“, d. h. „Beiß den Kerl“. Das Danziger Bier ward die Königin aller Gerstenbiere genannt wegen seiner Stärke, seines guten Geschmacks, seines Temperaments etc. Dem Breslauer Bier oder Schöps wurde große Nahrhaftigkeit nachgesagt; es machte die Leute dick und fett. Das Naumburger Bier wird als besonders zu Kräuterbieren verwendbar gerühmt. Das Zerbster Bier war ob seiner Güte hoch gepriesen und namentlich bei Edelleuten und Studenten sehr beliebt:

„Zerbster Bier und Rheinischer Wein,
Darbei wollen wir lustig sein.“

Dem Biere beinahe jedes einzelnen Ortes wurden besondere Eigenschaften zugeschrieben, die auch Veranlassung zu besonderen, oft recht drastischen Namen derselben gaben. Das Wittenberger Bier hieß z. B. „Kuckuck“, das Wernigeroder „Lumpenbier“, das der Stadt Halle a. S. „Puff“, das Kyritzer hatte den bedenklichen Namen „Mord und Totschlag“, der später in den erfreulicheren „Fried und Einigkeit“ umgewandelt wurde etc. Da die Deutschen es für nötig hielten, bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten zu trinken, so erhielt das Bier auch hiervon mancherlei Benennungen; es ward Pfingst-, Ernte-, Hochzeits- und Kindtaufsbier, Meister- und Gesellenbier, auch Kirchweihbier genannt. Manche dieser Biere kennt auch die Gegenwart, doch steht namentlich das letztere nicht in bestem Rufe. Um dieses trinkbarer und zuträglicher zu machen, soll noch vor einem halben Säculum von den Gästen in das Bier eine Muskatnuß gerieben worden sein, die der ehrbare Bürger mitsamt dem Reibeisen mit in die Kneipe nahm, um hier den letzten Ausläufer der sogenannten Kräuterbiere herzustellen. Hans Bösch.