Abendwanderung nach einem Dichterschlößchen

Textdaten
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Autor: Albert Fränkel
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Titel: Abendwanderung nach einem Dichterschlößchen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 696
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[696] Abendwanderung nach einem Dichterschlößchen. Drei Tage hindurch hatten kürzlich die Volksschullehrer Thüringens im Vereine mit freisinnigen Geistlichen, mit Lehrerinnen und Kindergärtnerinnen des Landes zur Gründung eines thüringischen Lehrerbundes in dem lieblichen Arnstadt getagt. Es war ein von ernstem Schwunge beseeltes und doch gar frisches und fröhliches Fest. Als aber endlich am späten Abend des 27. September dem herzlichen Beieinander die Abschiedsstunde geschlagen hatte, zuckte mit einem Male ein Gedanke durch die erregte Versammlung, der Allen so nahe gelegen und doch erst in diesem Augenblicke zu gemeinsamem Ausdrucke gekommen war. Man erinnerte sich, daß man Arnstadt nicht verlassen dürfe, ohne einem Gefühle der Verehrung genügt und eine Pflicht dankbarer Pietät erfüllt zu haben. Zu einem langen Ueberlegen und Arrangiren war keine Zeit. Bald sahen die überraschten Bewohner des Ortes auf der Straße einen fast unabsehbar langen Zug sich ordnen und im Scheine schnell herbeigeschaffter bunter Laternen einer benachbarten Höhe entgegenziehen. Unzählige schlossen mit neugieriger Theilnahme sich an und es lag etwas eigenthümlich Feierliches in der schweigenden und leisen Geräuschlosigkeit, mit welcher diese große Menschenmenge sich in stiller Abendstunde bergan bewegte.

Schon nach kurzer Wanderung war das Ziel erreicht, man stand vor dem anmuthigen Bergschlößchen, dem überaus traulichen Heim, das jetzt die beliebte Erzählerin der Gartenlaube, die kranke Dichterin der „Goldelse“ und des „Geheimniß der alten Mamsell“ auf einem der wonnigsten Aussichtspunkte ihres schönen Heimathsortes sich gegründet hat. Ihr galt die Huldigung, mit welcher so viele Lehrer und Lehrerinnen aus allen Theilen des Thüringerlandes ihr erstes Vereinigungsfest beschließen wollten. Nachdem man ohne Mühe das Schlafzimmer der Gefeierten erkundet, tönte bald unter den Fenstern desselben vielstimmiger Männergesang, anerkennungsvolle Rede und begeistertes Hochrufen der imposanten Versammlung in die lauwarme Herbstnacht hinaus. Es war ein unbeschreiblich poesievoller Moment, eine ebenso einfache als ergreifende Scene, und der Schreiber dieser Zeilen schätzt sich glücklich, zufällig Zeuge derselben gewesen zu sein. Eine Hoffnung Vieler, die Dichterin von Angesicht zu sehen, konnte freilich nicht in Erfüllung gehen. Sie war an dem Tage besonders leidend gewesen und hatte schon frühzeitig die Ruhe gesucht.
A. Fr.