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Artikel „Mutius, Huldreich“ von Karl Eugen Hermann Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 113–114, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mutius,_Huldreich&oldid=- (Version vom 17. Mai 2024, 07:49 Uhr UTC)
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Mutius: Huldreich M., geboren auf einem Landgute in der Nähe von Bischofszell im Thurgau, war im Jahre 1539, als seine Chronik erschien, welche in 31 Büchern die Geschichte des deutschen Volkes von den Urzeiten desselben bis auf seine Zeit behandelt, Professor an der Universität zu Basel (die beste Ausgabe derselben veranstaltete Gotthilf Struve im J. 1726). Weiteren Aufschluß über die näheren Lebensumstände des M. erhalten wir nirgends. Der Chronik, welche er auf Anregung eines Freundes, der gleich ihm Professor in Basel war, verfaßte, ohne eigentlich den Beruf zum Geschichtsschreiber in sich zu fühlen, sollten, so war der Wunsch des Freundes, nur in deutscher Sprache niedergeschriebene historische Werke zu Grunde gelegt werden. Sie sollte ein von nationalem deutschen Geiste getragenes Geschichtswerk werden, einerseits dazu bestimmt, die Italiener, welche, voll nationaler Vorurtheile, geringschätzig auf die Deutschen herabsahen, die ihnen noch als halbe Barbaren erschienen, über die geistige Bedeutung derselben aufzuklären, andererseits durch Schilderung der Großthaten der Vorfahren, in deren Nachkommen die Liebe zum deutschen Vaterlande zu wecken. Damit die Chronik auch den Italienern zugänglich gemacht werden könnte, sollte sie in lateinischer Sprache geschrieben sein. M. hat auch seine national-deutsche Gesinnung gemäß dem Wunsche seines Freundes in seinem Werke zum Ausdruck zu bringen sich bemüht. In dieser Beziehung tritt er den Vertretern der nationaldeutschen Geschichtsschreibung, wie sie der deutsche Humanismus und die Reformation erzeugten, einem Bebel, Irenicus, Beatus Rhenanus an die Seite, ohne sie jedoch zu erreichen. M. hat auch nicht, wie er seinem Freunde versprochen, nur in deutscher Sprache geschriebene Chroniken bei Abfassung seines Werkes benutzt, sondern nur in lateinischer Sprache geschriebene. Er beruft sich an den verschiedenen Stellen seines Werkes auf eine große Anzahl von Geschichtsschreibern, aus denen er geschöpft haben will. Eine genaue Untersuchung führt jedoch zu dem überraschenden Resultat, daß fast alle Angaben des M. der Chronographie des Nauclerus entstammen, nur in wenigen Fällen die Werke des Irenicus, Bebel, Beatus Rhenanus u. a. herangezogen worden sind. Die meisten Namen der Schriftsteller, auf welche sich M. beruft, finden sich auch von Nauclerus citirt an der entsprechenden Stelle des Werkes desselben vor. Brauchbares Material für den Historiker gewährt deshalb die Chronik des M., die eigentlich nur ein in mancher Beziehung schlechter Abklatsch der Chronographie des Nauclerus ist, durchaus nicht. Wenn dieselbe trotzdem doch einiges Interesse für sich beanspruchen darf, so liegt dies eben darin, daß sich der Verfasser als einen durchaus national gesinnten deutschen Mann erweist. Ihm erscheinen die Deutschen als ein bisher noch nie von einem Feinde überwundenes Volk. In den Streitigkeiten zwischen den Päpsten und Kaisern zeigt er im allgemeinen ein durch keine religiösen Vorurtheile beeinflußtes Urtheil. Und doch besitzt er eine tiefausgeprägte religiöse Gesinnung. Ihn beseelt eine hohe Achtung vor den altehrwürdigen Institutionen der römischen Kirche, wenngleich er vollkommen anerkennt, daß dieselben im Laufe der Jahrhunderte in argen Verfall gerathen waren. Er, ein Zeitgenosse der Reformation, erklärt sich nirgends offen für dieselbe, ihm schwebt anscheinend eine Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern vor, wie sie die großen Concilien des 15. Jahrhunderts vergeblich angestrebt hatten. Er ist ein Feind der gewaltsamen Unterdrückung der Anhänger der neuen Lehre, er hofft [114] noch immer auf Berufung eines Nationalconcils zur Beilegung der religiösen Streitigkeiten. Lobend gedenkt er zweier von den Deutschen gemachten Erfindungen, der Buchdruckerkunst und der Kanonen. Gepaart ist seine deutsch-patriotische Gesinnung mit der größten Liebe zu seinem engeren Vaterlande, der Schweiz. Mit freudigem Stolz blickt er herab auf die bedeutende Rolle, welche die Schweizer in Folge ihrer kriegerischen Tüchtigkeit, ihrer Siege in Europa zu seiner Zeit spielen.