ADB:Johann von Palz (1. Artikel)

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Artikel „Johann von Pfalz“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 469–472, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_von_Palz_(1._Artikel)&oldid=- (Version vom 3. Mai 2024, 19:34 Uhr UTC)
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Johann von Pfalz[WS 1], gelehrter Theologe und Ablaßprediger zu Ende des Mittelalters. Sein Zuname kommt auch deutsch als Palz, Valz und Palitz und lateinisch als Palatinus vor, sein eigentlicher Name aber, unter dem er jedoch nur wenig gekannt ist, war J. Gethink. Gebürtig aus der Pfalz, ob aus der alten Kurpfalz oder der sogen. oberen Pfalz, ist, wie der [470] Ort und das Jahr seiner Geburt, unbekannt. Nachdem er zu Erfurt und Leipzig Theologie studirt hatte, trat er in den Orden der regulirten Chorherren Augustinerordens, wurde Doctor der hl. Schrift und war als Kanzelredner berühmt. Als letzterer machte er sich besonders durch seine Ablaßpredigten bekannt, die er in verschiedenen Städten hielt und in denen er vorgeblich zum Kampfe gegen die Türken, in Wahrheit aber zum Nutzen und Vortheil der päpstlichen Kasse zu Rom allein aufforderte, ein sehr lucratives Geschäft, welches vorzugsweise den Augustinern durch die Päpste schon mehrere Jahrhunderte vor Luther übertragen worden war. Es ist deshalb auch ein großer historischer Irrthum, dessen Nachwirkungen erst in neuester Zeit durch gründliche Nachweise zerstört worden sind, daß, seit Flacius Illyricus den Augustinerprior Proles († 1503 zu Culmbach in Franken), den unmittelbaren Vorgänger des Staupitz, weil er eine kräftige und gewaltige Reformation dringend befürwortet habe, unter die „testes veritatis“ aufnahm, es für erwiesen galt, daß sich in der Congregation der Augustiner, und zwar von alther, die Tradition ächt augustinischer Theologie erhalten habe, welcher Theologie auch Luther seine durch Staupitz unmittelbar auf ihn übertragenen reformatorischen Anregungen verdanke. Dies war ein traditioneller Irrthum. – Denn den Augustinereremiten Italiens diente der Name des großen Kirchenheiligen von Anfang an mehr als ein äußerliches Erkennungszeichen für die gleichen mönchischen Bestrebungen, welche dieselben ohne klösterliche und irgend welche Ordenseinigung verfolgten. Seit es dann den unermüdlichen Bemühungen Alexanders IV. gelungen war, sie 1256 zu einer Congregation unter einem Generalprior zu vereinigen, traten sie ganz den anderen beiden großen Bettelorden an die Seite, als der Curie unmittelbarst ergebene Trabanten und Vorkämpfer. Und gerade die Augustiner bewährten, im Unterschiede namentlich von den Franciscanern, bis zur Reformation diese Ergebenheit so unverbrüchlich, daß noch 1520 der damalige Ordensgeneral, Gabriel Venetus, als ein Hauptmotiv gegen die Reformationsbestrebungen geltend machen konnte: die Augustiner könnten allein unter den Bettelmönchen sich rühmen, niemals der Häresie verdächtig gewesen zu sein. Seit Anfang des 15. Jahrhunderts aber wurden dafür auch die Augustiner gerade mit besonderen päpstlichen Gnaden bedacht. Ihren Ordenskirchen verlieh Innocenz VIII. im J. 1490 zum Lohne für ihre energische Thätigkeit im Dienste der Ablaßpredigt gleiche Indulgenzen, wie sie sonst nur der Besuch der Stationen in Rom einbrachte, und 7 Jahre später wurde die Ehrenstelle des Sacristans an der päpstlichen Palastcapelle, die seit unvordenklichen Zeiten von Augustinern versehen worden sei, von Alexander VI. ausdrücklich für ewige Zeiten diesem Orden in ausschließlicher Weise zugesichert. Von da an wurden in allen Augustinerklöstern und -Kirchen besondere Fürbittgebete für den Papst angeordnet. Und in dieser regsten Verbindung fand das 16. Jahrhundert die Augustiner mit der Curie, und doch ging, als 15 Jahre nach J. der Ablaßkrämer Tetzel Deutschland brandschatzte, aus ihrer Mitte gerade der Reformator hervor. Ein Zeit lang war J. auch Beichtvater des Erzbischofs von Trier, auch Rector der dortigen Universität und im J. 1504 Propst des Klosters zum Neuen Werk bei Halle. Bei dem Magdeburger Erzbischof Ernst (1476–1513), einem großen Freunde der Gelehrsamkeit, dem Sohne des Kurfürsten Ernst von Sachsen und Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen Bruder, stand er in hohem Ansehen. Als er gelegentlich einer Reise durch Sachsen auch nach Schneeberg kam und die dortigen Bergwerke sah, nahm er hieraus Veranlassung, sein Werk „Himmlische Fundgrube“ abzufassen, „Dat men hemmelsche arsten (Erze) dar in mach vynden edder grauen (graben), dat is de gnade godes“, welches Buch er später auch unter dem Titel „Coelifodina“ in einer erweiterten Ausgabe erscheinen ließ und (Gandolfus, S. 228) [471] „in Monasterio Vallis Mulnheim prope Confluentiam“ (Mühlheim bei Coblenz) 1500, „circa festum omnium sanctorum“ bearbeitet und beendigt hatte. Der Verfasser lebte noch 1511, aber sein Todesjahr ist unbekannt. Die erste deutsche Ausgabe erschien zu Leipzig durch Martin Landsberg (Mart. Herbipolensis), o. J. (1490) in Quart als „Das Büchelein wird genant die himelische Funtgrube“ und war zugleich der erste Druck dieses gelehrten Buchdruckers. Noch in demselben Jahre (wenigstens ist die Vorrede mit 1490 bezeichnet) wurde das Buch auch in niederdeutscher Sprache und mit Holzschnitten versehen zu Magdeburg durch Simon Mentzer gedruckt und weitere vier hochdeutsche Ausgaben erschienen in dem J. 1503 zu Straßburg bei M. Hupfuff, 1506 zu Augsburg bei Hans Froschauer und 1507 wieder zu Straßburg bei Hupfuff und daselbst 1517 bei Konrad Kerner. Die Dedication der ersten Ausgabe ist an den Kurfürsten Friedrich den Weisen gerichtet und in dem niederdeutschen Drucke unterzeichnet sich der Verfasser als „Broder Johann van Valcz, Doctor der hilgen scryfft, ordens der Eynsedeler broder Sancti Augustini, commissarius der Rommschen gnaden to Torgaw …“. Den Inhalt aber bilden Predigten, die J. vor dem Kurfürsten gehalten hat. Die erste vermehrte lateinische Ausgabe erschien 1502 zu Erfurt bei Wolfg. Schenck und ist nicht mehr dem Kurfürsten Friedrich, sondern dem Kurfürsten Hermann zu Köln zugeeignet und dieser Druck hatte ganz besonders zum Zwecke, das Ablaßgeschäft zu fördern. Am Ende dieser Ausgabe findet sich auch ein sehr merkwürdiger Brief des päpstlichen Legaten Raymund v. Gurk, unter welchem, als päpstlichem Ablaßcommissarius, J. sein Amt verwaltete, an das damals versammelte Reichsregiment vom J. 1501. Der erste von Gurk ausgestellte Ablaßbrief (Unschuld. Nachr. 1726, 357) ist datirt vom 18. April 1488 und als er, weil ihm die Waare ausgegangen, zu Anfang des J. 1501 nach Rom zurückkehrte und um die Mitte des Jahres mit einer starken Ladung auf der Reise war, gab er dem Deutschen Reiche, d. h. dem Reichsrathe, der kurze Zeit vorher, 1500, unter Maximilian I. errichtet, zu Nürnberg seinen Sitz hatte, Nachricht davon in diesem Briefe und in einem anderen diesem angehängten an die Schweizer sagt er: Attulimus inter cetera sanctum Jubileum longe majus praestantiusque quam fuerit Jubileum nobis Romae proximo anno celebratum“. Nach Johanns Predigten bestand aber die größere Vollkommenheit dieses Ablasses darin, daß derselbe nicht allein auf die Sünden, welche schon begangen waren, sondern auch auf jene, welche Jemand noch begehen konnte oder wollte, Kraft und Gültigkeit habe. Und ausdrücklich wurde dem Käufer eines solchen Briefes mit demselben die Versicherung gegeben, daß er nicht ins Fegefeuer komme, er möge sterben, wann und wo er wolle (Coelifodina, V. 5. Q. IV); vgl. auch das merkwürdige, auf Pergament geschriebene, für die Zwickauer Kirchen bestimmte Ablaßregister bei Weller a. a. O., 424 ff. Gurk ist auch derselbe, der nach Fabricius, Bibl. lat. med. et inf. aet. VI. 110 ein Buch o. O. und J. drucken ließ, „De dignitate sacerdotali super omnes reges terrae“.

Ganz von der Art der angeblichen Reformbestrebungen des Augustiners A. Proles, dessen vielgerühmte Kirchenverbesserung auf nichts anderes hinauskommt, als auf seinen rastlosen Eifer, unter den Augustinern wieder eine strengere Observanz herzustellen, war auch die seines Ordensgenossen J. Freilich verstand auch er, wie Proles, in bewegtester Rede das Leiden Christi zu rühmen und zu schildern, aber auch abgesehen von seiner alles Maß übersteigenden Vergötterung der Jungfrau Maria – die Augustiner gehörten zu den eifrigsten Verfechtern der unbefleckten Empfängniß – dient dieser Mann Friedrich dem Weisen als geschicktester Sammler und Vermittler der geschätztesten Reliquien und macht den eifrigsten Ablaßprediger seiner Zeit. Er ist der eigentliche Erfinder der Lehre von der höheren, eigentlich sündenvergebenden Kraft, die dem Jubiläumsablaß [472] inne wohne, für den zu wirken den Augustinern freilich von der Curie besonders befohlen war. Und ähnliches gilt von Henricus Psalterius, Simon Lindener und ganz besonders von dem berühmtesten Augustinerprofessor jener Zeit, Johann Dorsten von Erfurt (Bd. V, 364), der zwar (Sermones de tempore et de Sanctis) seine Stimme gegen die Wallfahrten zu dem heiligen Blut von Wilsnack erhob, aber daneben nicht nur mit den scholastischsten Spitzfindigkeiten die dem Respect mehr empfohlene Reliquie des hl. Blutes zu Gotha zu vertheidigen wußte, sondern auch das Recht des Ablasses mit einer ihm selbst gewordenen Traumerscheinung begründen konnte. – Als weitere Werke des J. führt Gandolfus noch an: „De septem foribus … glor. Virg. Mariae“ und „Hortulus Aromaticus inclytae Virg.“, aber kein Bibliograph hat bis jetzt von ihnen Kenntniß, dagegen findet sich (Kapp, S. 431) auf der Leipziger Bibliothek ein noch ungedrucktes Manuscript (4 Bl. in 4.) betitelt: „De conceptione sine preservatione a peccato originali S. Dei genitr. v. Mariae“; am Ende stehen die Worte: „Hec collecta sunt in itinere versus capitulum Osnabrugense per Fratr. Joh. de Palcz … Anno 1488“. Einen Irrthum der Geschichtschreiber des Prädicatorenordens Quetif und Echard, welche J. zu einem Dominicaner gemacht hatten, haben bereits die Acta Erudit. lat. 1722, 482 berichtigt.

Mader, Centuria script. Bog. II. (mehr Lobspruch als Biographie). Gandolfi Disput. hist. de ducentis celeb. August. scriptor., p. 228. Weller, Altes aus allen Theilen der Geschichte, I. 292. Kapp, Kleine Nachlese, IV. 432. Panzer, Ann., I. 184. Weller, Repert., 9418–24. Bruns, Beiträge, S. 173. Götze, Aeltere Gesch. der Buchdr. in Magdeburg, I. 65–68.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert in Band 25 ein weiterer Artikel.