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Artikel „Heidegger, Johann Heinrich“ von Wilhelm Gaß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 295–296, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heidegger,_Heinrich&oldid=- (Version vom 10. Mai 2024, 13:48 Uhr UTC)
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Heidegger: Johann Heinrich H., einer der bedeutendsten und einflußreichsten reformirten Theologen älterer Zeit, geb. am 1. Juli 1633 zu Bärentschweil im Kanton Zürich, zunächst durch J. R. Stucki u. J. H. Hottinger [296] unterrichtet, studirte 1654 in Marburg unter Crocius’ Leitung Orientalia und fand als Lehrer am Sapienzcollegium zu Heidelberg eine erste Anstellung, woselbst er sich innig mit Johann Ludwig Fabricius (Bd. VI S. 516 f.) befreundete. Nachdem er 1659–65 zu Steinfurt eine theologische Professur der Loci communes in der Kirchengeschichte verwaltet und von dort auch die bedeutendsten holländischen Theologen aufgesucht hatte, begab er sich nach seiner Heimath Zürich zurück, welcher Stadt er auch seit 1665 zum großen Gewinn der dortigen Hochschule treu geblieben ist. Anfänglich für den Lehrstuhl der Sittenlehre verwendet, erhielt er 1667 nach Hottinger’s plötzlichem Tode eine feste theologische Professur und erwarb sich als Dogmatiker bald so großes Ansehen, daß er 1669 die höchst ehrenvolle Berufung nach Leiden an Coccejus’ Stelle, sowie eine zweite nach Gröningen ablehnen konnte. Die schweizerische Kirche befand sich aber damals in beträchtlicher Aufregung, die reformirte Theologie war durch mancherlei an sich förderliche und interessante Neuerungen gespalten. Schon die niederländische Schule der Cartesianer und Coccejaner erregte in der Schweiz starkes Mißfallen, noch mehr befremdeten die Lehreigenthümlichkeiten der französisch-reformirten Universität Saumur, von welcher aus sich eine mildere Auffassung der Erbsünde und der Gnadenwahl und eine unbefangenere Beurtheilung des alttestamentlichen Textes verbreitet hatte. Gegen so auffällige und ungewohnte Ansichten wollten die schweizerischen Städte sich und ihre Gemeinden sicherstellen. Der hochangesehene H. verstand sich, obgleich ungern, zu dem Entwurf einer Gegenerklärung, welche von Anderen überarbeitet und erweitert, die Genehmigung von Bern, Basel, Schaffhausen und Zürich erlangte und eine Zeit lang als normirend gegolten hat. So entstand 1675 die erst 1715 gedruckte „Formula consensus Helvetici“; unter Ablehnung sämmtlicher Neuerungen erklärt sie sich durchaus im Sinne der bisherigen reformirten Orthodoxie, vermeidet aber – und dies war das Verdienst Heidegger’s – den gehässigen Ton der Anklage. Daß H. kein engherziger Charakter war, beweist sein sonstiges kirchliches und litterarisches Auftreten, seine Freundschaft mit dem gelehrten Daillé dem Jüngeren und mit J. L. Fabricius in Heidelberg, welchem er auch ein biographisches Denkmal gesetzt hat, seine Hochschätzung des Coccejus und selbst Spener’s. Er befreundete sich mit dem kirchlichen Friedensstifter Duräus und lieferte eine Unionsschrift, welcher Spener, übrigens zustimmend, nur die Dortrechter Decrete als Hinderniß entgegenstellte. Nach der anderen Seite forderten Maimburg’s und Bossuet’s Angriffe zur Gegenwehr heraus. H. rechtfertigte die evangelische Kirche aus den wunderbaren Erfolgen der Reformation, kritisirte ausführlich die Decrete des Tridentinums und antwortete auf Maimburg’s „Historia Calvinismi“ mit einer „Historia papatus“. Als unter Leopold I. eine Anzahl lutherischer und reformirter Geistlicher nach den ärgsten Quälereien aus Ungarn vertrieben und nach Neapel geschleppt wurden (1676), verwendete sich H. für deren Befreiung, welche dann auch durch den Admiral Ruyter gelungen ist. Auch seine Correspondenz, von anderen Arbeiten abgesehen, deutet auf eine ausgebreitete und rastlose Thätigkeit. Doch erwähnen wir nur noch das Hauptwerk: „Corpus theologiae christianae“, von J. H. Schweizer 1700 in zwei Folianten herausgegeben, in welchem der streng confessionelle Standpunkt, den H. aufrichtig vertrat, in verständiger, friedfertiger und gründlicher Entwickelung vorgetragen wird. Er starb am 18. Jan. 1698.

Außer Heidegger’s Selbstbiographie in L. Meister’s Berühmte Züricher, Bas. 1782, sind zu vergl. Tholuck, Das akad. Leben des XVII. Jahrhdrts., II. S. 70. Vierordt, Gesch. der evangel. K. im Großh. Baden, II. S. 250, besonders aber A. Schweizer, Reform. Centraldogmen, II. 483. 664 und desselben Artikel in Herzog’s Encyklopädie.