Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Georg Friedrich Händel

Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Georg Friedrich Händel
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 163–164
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Georg Friedrich Händel.
Geb. d. 24. Febr. 1684, gest. d. 14. April 1759.


Einer der ausgezeichnetsten deutschen Tondichter, dessen meisterhafte Schöpfungen ihm den Beifall aller Zeiten sichern, den der geniale van Beethoven selbst den »unerreichten Meister aller Meister« nannte, den gerechte und anerkennende Bewunderung nicht erst neuerdings, sondern schon vor vielen Jahren als einen Shakesspeare in der Musik bezeichnete, der mit einem Riesengeist, wie mit Riesenfleiß begabt, unglaubliches leistete und vollbrachte, und bei dem nichts zu beklagen ist, als daß auch er, der Stolz des deutschen Vaterlandes, nicht in diesem Vaterlande dauernd Wurzel schlug und Boden gewann, sondern daß England vor allem ihn hob, pflegte und nach dem Tode ihn als einen seinen größten Geistern Ebenbürtigen ehrte und verherrlichte. Händel war der Sohn eines Arztes und wurde in Halle geboren; der in Jahren schon ziemlich weit vorgerückte Vater bestimmte den Sohn für die juristische Laufbahn, aber die Liebe zur Musik trat schon in dem Knaben mit aller Macht hervor; er wandte sich zunächst dem Orgelspiele zu, und empfing von dem tüchtigen Meister dieses Instrumentes, Zachau, gründlichen Unterricht. Händel’s ganz außergewöhnliche Begabung offenbarte sich dadurch, daß er noch im zartesten Alter, im 8. Jahre, nicht nur die Orgel schon fertig spielte, sondern auch für dieselbe Kirchenstücke und für das Klavier Sonaten componirte. Von Halle begab sich Händel nach Berlin, begeisterte sich dort an der Oper, lehnte einen Antrag des großen Kurfürsten, zu fernerer Ausbildung auf dessen Kosten nach Italien zu reisen, aus unbekannten Gründen ab, und wählte nach seiner Rückkehr in die Vaterstadt Hamburg zum Aufenthalt, wo er von 1703 bis 1708 blieb und als Violinist im Orchester der Oper wirkte, und seine indeß Witwe gewordene Mutter nach Kräften unterstützte. Händel übernahm dann selbst die Leitung der Oper, brächte 1704 seine erste Tondichtung »Almira« zur Aufführung, welche großen Beifall fand, ließ ihr bald noch andere Opern folgen und war so vom Glück begünstigt, daß er nun dem eigenen Wunsche folgen und frei und unabhängig dennoch nach Italien reisen konnte. In Florenz componirte Händel seine Oper »Rodrigo«, in Venedig »Agrippina«, welche 27 mal nach einander über [Ξ] die Bühne ging. Die berühmte Sängerin Vittoria Tesi hob diese Aufführungen zum Entzücken aller Hörer. Händel reiste nun noch nach Rom und Neapel, componirte fortwährend, knüpfte die angenehmsten Bekanntschaften mit den grüßten Tonkünstlern Italiens an, und kehrte erst nach 6 Jahren, mit Ruhm gekrönt und mit einem gefeierten Namen, nach Deutschland zurück. Er wandle sich nach Hannover, wo der Kurfürst ihn mit einer Besoldung von 1800 Thalern anstellte und zu seinem Kapellmeister ernannte, als Steffani[WS 1], der aus einem tüchtigen Musiker ein nicht minder tüchtiger Diplomat wurde, die vor Händel bekleidete Stelle niederlegte. Mit Urlaub von seinem Gebieter ging Händel 1710 nach London, componirte dort die Oper »Rinaldo«, verweilte ein Jahr in London und war auch nach seiner Rückkehr nach Hannover unausgesetzt musikalisch thätig, doch übte London auf das Gemüth des begeisterten Künstlers eine so mächtige Anziehungskraft, daß er abermals um Urlaub zu einer Reise nach England nachsuchte. Er erhielt auch diesen, und blieb nun Deutschland für immer entzogen, zumal sein Gebieter als Georg I. den Thron von England bestieg und – obschon eine Verstimmung stattgefunden hatte – Händel jetzt einen Gehalt von 400 Pf. Sterling aussetzte, ihn auch mit einer Zulage von noch 200 Pfund zum Musiklehrer der königl. Prinzen ernannte.

Die gewöhnlichen Cabalen, welche England oder vielmehr London stets den deutschen Künstlern entgegenstellen, besiegte Händel anfangs mit Leichtigkeit, denn niemand erreichte ihn oder kam ihm gleich, geschweige daß ein anderer ihn übertroffen hätte; aber dennoch blieb sein Leben nicht ohne verbitternde Kämpfe, die ihm eifersüchtige italienische Komponisten, eigensinnige wälsche Sängerinnen und eingebildete ränkevolle Sänger bereiteten. Unter den ersteren und letzteren zumal waren große Namen, Porpora, der gefeierte Komponist, Haydn’s Lehrer, und der unübertreffliche Farinelli (Carlo Broschi) und diese Kämpfe zogen Händel nicht nur Verluste des Vermögens, sondern selbst Trübungen des Geistes zu, well es ihm nicht gelang, sich an der Spitze einer Opernunternehmung, betitelt: Königliche Akademie der Musik, zu behaupten. Er bekam sogar in Folge der mannichfachen Aufregungen einen Schlaganfall und mußte die Hülfe eines Heilbades suchen. Händel wählte Aachen, und die Quellen dieser ältest berühmten deutschen Bäderstadt übten gleichsam an ihm ein Wunder. Er genas und vermochte in einem feurigen, begeisterten Orgelspiel dem Urquell allen Lebens seinen Dank auszuströmen. Händel kehrte nach London zurück und war dort immer noch, getrieben vom Geist des Schaffens, für die Bühne thätig, doch mit nur geringem Glück, was nicht an seinen Werken, sondern in andern äußern Verhältnissen lag. Händel componirte nicht weniger als 45 Opern und 26 Oratorien, und letztere, denen er endlich und ausschließlich seine schöpferische Thätigkeit zuwandte und von denen namentlich »Athalia«, »Esther«, »Deborah«, das »Alexanderfest«, »Saul«, der »Messias«, »Samson«, neben vielen andern herrlichen Tonstücken, die Diamanten in der Krone von Händel’s Meisterschaft bilden – begründeten ihm den ewigen Nachruhm, wenn dieselben auch nicht gleich alle sich plötzlich glänzende Bahn brachen.

Im Winter 1742 auf 1743 erkrankte Händel von neuem, holte sich wieder in den Heilbrunnen von Aachen Genesung, kehrte zurück und schuf abermals eine Reihe bewunderter Werke, unter denen »Susannsa«, »Belsazar«, »Herkules«, »Judas Makkabius«, »Jephtha«, »Alexander Belus«, »Joseph«, »Salomon«, die bedeutendsten – bis ihn im Jahre 1771 das Unglück traf, am schwarzen Staar zu erblinden, welches er acht Jahre trug, bis er an einem Charfreitage im 76. Jahre seines Alters vollendete. Händel’s Charakter war männlich, fest und entschieden, aber dabei wohlwollend, tief religiös und wohlthätig. Er war einer der größten Meister im Clavierspiel; auf der Orgel übertraf ihn keiner und nur wenige kamen ihm gleich im spielen dieses erhabensten aller Instrumente, wie auch als Komponisten nur wenige an ihn hinanreichen, besonders im Oratorium, da in der Oper der musikalische Geschmack dem Wechsel und den Zeitrichtungen mehr unterworfen ist. Händel’s Chöre sind völlig unübertroffen.

Der unsterbliche Meister wurde in der Westminsterabtei begraben und ihm ein großes figurenreiches allegorisches Marmormonument errichtet. Diese Gedächtnißfeiern wurden dem Heros der Musik zu Ehren begangen; ja noch in neuester Zeit wurde zu Frankfurt a. M. ein fast vergessenes Werk Händel’s: das Oratorium »Allegro und Pansioroso« von einem musikalischen Vereine glänzend zur Aufführung gebracht – und voll treuer Pietät das Andenken an den Unsterblichen erneut.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Steffain