Wahrhaftige Historia von der Anwesenheit des Königs Christian III. von Dänemark in Hamburg

Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Wahrhaftige Historia von der Anwesenheit des Königs Christian III. von Dänemark in Hamburg
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 205–218
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Google, Commons
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[205]
73. Wahrhaftige Historia von der Anwesenheit des Königs Christian III. von Dänemark in Hamburg.
(1538.)
I. Ankündigung.

Es war im März 1538, als zu Braunschweig eine Versammlung der Fürsten und Stände des Schmalkaldischen Bundes stattfand, woselbst über evangelische Angelegenheiten geredet und gehandelt wurde. Die Hamburgischen Abgesandten daselbst waren Johann Rodenborg, Bürgermeister; Vincent Moller, Rathmann, und Magister Hermann Rover, Secretarius, nebst Gefolge von Reisigen, 28 Pferde stark. Während solcher Verhandlungen eröffnete nun der gleichfalls anwesende König Christian III. von Dänemark unsern Gesandten, wie [206] er gesonnen sei, auf seiner Heimreise die Stadt Hamburg zu besuchen, nicht nur, um daselbst einige Händel des Dom-Capitels zu schlichten, sondern auch, um die Erb-Huldigung des Raths und der Bürgerschaft entgegen zu nehmen, die seit seiner Thronbesteigung (1533) annoch rückständig sei; worauf unsre Gesandten nicht verfehlten, königlicher Majestät in verbindlichen Worten die ungemeine Freude der Stadt auszudrücken über die frohe Aussicht, Hochdieselben einmal wieder in ihren Mauern zu beherbergen; über den Huldigungs-Punkt jedoch gingen sie vorerst mit weisem Stillschweigen hinweg. Uebrigens berichteten sie sogleich die wichtige königliche Eröffnung an E. E. Rath und sandten Etliche ihres Gefolges damit gen Hamburg.


II. Empfangs-Vorbereitungen.

Sobald E. E. Rath die Botschaft vernommen, berathschlagte er fleißig, was zu thun sei, um Ihrer Majestät einen guten, auch der Stadt nützlichen Empfang zu bereiten. Der König, der allen Bürgern noch in gutem Gedächtniß war, seit er Ao. 1525 als leutseliger und ritterlicher Herzog Carsten, damaliger Kronprinz, alle Herzen gewonnen hatte, verdiente schon deshalb ein Uebriges. Dazu kam, daß es galt, der Stadt seine Gewogenheit, zumal in den bevorstehenden kriegerischen Zeiten, zu erhalten, um in dem mächtigen Nachbarn und starken Schirmherrn auch einen guten Freund zu besitzen. Aber mehr als Schirmherr durfte er nicht heißen, und deshalb war die angemuthete Erb-Huldigung der kitzliche Punkt, um den herumzukommen und doch den König zu befriedigen, die hochweisen Herren ihre Gedanken waidlich ergehen ließen.

Der Monat April verging fast mit solchen Berathungen. Endlich war alles in Betreff der Feierlichkeiten beim Einzuge, [207] der Beherbergung, der Bewirthung, auch in Betreff der anzustellenden Festivitäten in Ordnung. Und da der Rath noch von Ao. 1525 sich entsann, daß königliche Majestät ein „sonderbarer Liebhaber derer Turniere“ sei, so traf er auch hierfür die nöthigen Anstalten und ließ den Hopfenmarkt mit Schranken gehörig herrichten. Und die Marschleute aus Billwärder wurden befehligt, die Pflastersteine aufzubrechen und die aus den Geestdörfern mußten den Platz mit Sand befahren, das war am 29. April; und am 30. April war die Rennbahn fertig.

Und am 30. April war E. E. Rath auch fertig mit seinem Entschlusse, wie der kitzliche Punkt zu behandeln sei, und zwar in der Weise, daß man dem Könige als Herzog von Holstein für sich und seine unmündigen Brüder Adolf, Johann und Friedrich zwar eine schirmherrliche, aber keine erbunterthänige Huldigung darbringen wolle. Und selbigen Tages forderte der Rath 20 gute Bürger aus jedem der vier Kirchspiele aufs Rathhaus, denen legte er seine Beschlüsse vor. Und die Bürger, die eigentlich von gar keiner Huldigung wissen mochten, sahen doch die Person des guten Königs und den Drang der Umstände an, und waren damit friedlich. Und auf freundliches Begehren des Raths gelobten sie ferner, daß sie an dem Tage des Actes in ihren besten Kleidern aufs Rathhaus kommen wollten, um das Werk vollbringen zu helfen.

So weit waren denn die Vorbereitungen getroffen, als der Einzug nahe bevorstand. Unsre Gesandten waren längst von Braunschweig zurück, und der König schon in Lauenburg, bei Herzog Magnus, seinem Schwiegervater, woselbst er seine Gemahlin Frau Dorothea und seine Schwester Fräulein Elisabeth vorfand, mit welchen er dann die weitere Reise antrat.

[208] 
III. Des Königs Ankunft.

Der Tag der Ankunft des Königs war der 1. Mai, Mittewochs vor dem Sonntage Misericordias Domini. Da machten sich auf, den Majestäten entgegen zu reiten, sie an der Grenze zu empfangen und herein zu geleiten: die Bürgermeister Albert Westede und Johann Rodenborg, und mit ihnen 14 der angesehensten Bürger: Claus Rodenborg, Tilo Rigel, Hinrich von Holte, Jochim Twestreng, Hermann von Hutlem, Hans Wichtenbeck, Jochim Schuldorp, Jost Rover, Jochim Meiger, Johann Luchtenmaker und Andere mehr; allesammt in prächtigen Rüstungen und Harnischen, und hinter ihnen her ritten noch im besten Waffenschmuck wohl 60 Reitendiener und Reisige von den Söldlingen der Stadt.

Als der König auf die Grenze gekommen ist, haben die Bürgermeister ihn mit einer sehr wohl gesetzten Anrede schön willkommen geheißen, worauf er gar freundlich geantwortet, und den Zug fortgesetzt hat. Und gegen 4 Uhr Nachmittags ist der hochgeborene und durchlauchtige König Christianus in großer Herrlichkeit und Pomperei durchs Dammthor in die Stadt gezogen. Sein Gefolge war über 400 Pferde stark, und war meist in Blumengelb gekleidet, die vom Adel aber, so darunter, halb in Blumengelb, halb in Sammet, eine Falte so, die andre so. Voran ritten 12 Trompeter und ein Paukenschläger, sodann ritt der Königin Bruder, der junge Fürst Franz von Lauenburg, und ein Theil der Ritter und Junker, dann kam königliche Majestät selbst; und ihm zur Seite ritt die Königin, und beide grüßten leutselig rechts und links gegen die vielen tausend Zuschauer, die sie mit Jubel willkommen hießen. Dicht hinter dem Könige ritt sein erster Geheimer Rath und Marschall, Herr Johann Rantzau, zwischen den beiden Bürgermeistern von Hamburg, dann folgten wieder Herren vom Adel und die 14 vornehmen Hamburger Bürger; [209] und die Knappen, Trabänten, Reitendiener und Reisige machten den Beschluß. Und im Thor war ein Stand hergerichtet, da hatte E. E. Rath seinen Platz, und dahinter waren die Musikanten, die machten mit Diskanten (Violinen), Violen, Positiven und Fiedeln eine gar feine Musik und hießen also den König willkommen. Und zu dieser artigen Musik erscholl das Schmettern der Zinken und Trompeten und das Dröhnen der Pauken; von den Kirchthürmen herab tönte das feierliche Glockengeläute, und von den Wällen donnerten die großen Karthaunen, alles Ihren Majestäten zu Lieb und Lust – es war ein herrlicher Ohrenschmaus, zumal bei den Kanonen, für Alle, die solch „Gepölder“ gut leiden können. Also ehrenreich wurde der König empfangen, durch die Schmiede- und Reichenstraße zum Rathhause geleitet, das mit frischen Maienzweigen geziert war, und von dort unter tapferer Musik der Spielleute und Sänger in die für ihn bereitete Herberge geführt, in Eberhard Huge’s Hause.

Desselbigen Tages kam auch mit stattlichem Gefolge der junge Herzog Franz von Lüneburg an, der bekam sein Quartier in Jürgen von Zeven’s Hause in der (alten) Gröningerstraße, in demselben großen Gebäude, welches hernach bis 1805 die Englische Gesellschaft innegehabt hat, worauf es 1819 abgebrochen ist, um der neuen Gröningerstraße Platz zu machen.

Am folgenden Tage, Donnerstag, den 2. Mai, ist der König, von seinen Rittern und Junkern zu Fuße begleitet, feierlich nach der St. Catharinen-Kirche geritten. Da wurde discantirt und das Te Deum laudamus gesungen, und der Pastor, Herr Stephan Kempe, hielt einen schönen Sermon. Nach Mittag ist der König, der schon von dem bevorstehenden Turnier vernommen, nach der Rennbahn auf dem Hopfenmarkt geritten; daselbst hat er alle Anstalten besichtigt und gut befunden, auch seine Hengste darauf versucht.

[210] 
IV. Von Staats-Geschäften.

Am Freitage, den 3. Mai, Nachmittags, ist der König mit seinen Räthen aufs Rathhaus geritten, um in der Papen-Sache zu verhandeln; daselbst waren die Herren des Raths und sechs Bürger aus jedem Kirchspiele, sammt unserm Superintendenten Dr. Aepinus und Pastor Stephan Kempe einerseits, und die Herren vom Dom-Capitel andrerseits, deren Zwistigkeiten der König zu vertragen suchte, wobei er großen Fleiß anwandte, um diesen ärgerlichen Handel gütlich beizulegen. Es kam aber zu Nichts, denn es fand sich, daß die Papen keine genügende Vollmacht hatten zur Verhandlung, weshalb sie auch vom Könige einen guten „Schraper“ (Ausputzer) bekamen. Darnach, am Sonnabend, den 4. Mai, fand die wichtige Verhandlung wegen der Huldigung statt, von der noch Niemand wußte, wie sie enden würde, ob zum Heil und Frieden, oder zum Unglück und Krieg. Darum war verabredet, daß man zuvor im feierlichen Gottesdienst den Segen des Allerhöchsten herabrufen wolle auf das vorhabende Werk, damit das Auge klar und das Herz fest werde, Recht und Gerechtigkeit, auf welcher Seite es sei, zu sehen, und darnach zu handeln. Also zog Morgens früh der König mit seinem ganzen Gefolge fein demüthig zu Fuße nach St. Nicolai-Kirche, allwo ihm ein Gestühlte eingerichtet war. Und E. E. Rath in corpore und E. Oberalten, auch die für den heutigen Act geforderten 80 Bürger (20 aus jedem Kirchspiel), imgleichen noch viele andere Bürger und ansehnliche Personen waren gegenwärtig in ihrem besten Gewande und Schmuck. Und nach dem Gesang hielt der Superintendent, Herr Dr. Aepinus, einen gar erwecklichen Sermon und erflehte Gottes Segen auf das vorhabende hochwichtige Werk herab.

Nach Beendigung des Gottesdienstes kamen alle Betheiligten auf dem großen Rathhause zusammen. Und auf der [211] einen Seite der Halle saß in einem Armsessel der König; sein Geheimer Rath Johann Rantzau stand neben ihm, die übrigen Räthe und Ritter aber standen dahinter. Auf der andern Seite saß auf einem Stuhle der worthaltende älteste Bürgermeister Dietrich Hohusen, ein hochbejahrter rüstiger Herr, schon 33 Jahre im Rathe und seit 21 Jahren Bürgermeister; und zu seinen beiden Seiten hatten die übrigen Bürgermeister und sämmtliche Rathmannen nebst den Secretarien ihren Platz, dahinter standen die 80 Bürger, je 20 nach ihren Kirchspielen. Und nachdem des Königs Canzler die Forderung wegen der Erbhuldigung gestellt und die Väter der Stadt vermahnt hatte, ihre Schuldigkeit zu bedenken und ihrer Lehnspflicht zu ihren Oberherren, dem Könige und seinen Brüdern, als Herzogen von Holstein, zu genügen, da erhub sich der alte Herr Hohusen, antwortete mit ebenso höflichen und gütlichen als ernsten und festen Worten, und zeigte, wie laut uralter Privilegien und Verträge die Stadt keine Holsteinische den Herzogen erbunterthänige Landstadt, sondern eine reichsunmittelbare sei, wie die Bürger die von den Vorfahren errungene Freiheit als ihr höchstes Gut würdig zu bewahren trachteten, und davon nicht lassen könnten, selbst wenn ihnen kein ausdrücklich Huldigungs-Verbot des Kaisers zur Seite stünde; eingedenk aber nicht nur der werthen Freundnachbarlichkeit, sondern auch der vielen von Seiner Majestät und dero glorreichen Vorfahren der Stadt erzeigten Gutthaten und Gnaden, eingedenk auch der den Herzogen hiesigerseits nicht in Abrede gestellten Schirmherrlichkeit, wollten Rath und Bürger mit Freuden königliche Majestät und dero durchlauchtige Herren Brüder als Herzoge von Holstein anerkennen und als der Stadt Schirmherren annehmen, als solchen ihnen auch treu und hold sein, woferne königliche Majestät dagegen die uralten Freiheiten, Privilegia und Gerechtigkeiten der Stadt anerkenne und ihre Aufrechthaltung [212] gelobe. Und während noch Einiges pro et contra geredet wurde, mochte sich wohl der König von dem Rechte der Hamburger überzeugt haben, wie auch deren standhafte Behauptung der ererbten Freiheit und die so ehrerbietige als feste Rede des alten Hohusen ihm wohlgefallen hatte. Dazu gab’s damals ernstere Welthändel zu bedenken. Genug, der König sprach: In Gottes Namen, Ja, er sei’s zufrieden, und wurde sodann die Anerkennungs- und Annehmungs-Formul ganz in der Weise beliebt, wie sie bei Zeiten der Könige Christian I., Johann und Friedrich I. stattgefunden hatte. Und stehenden Fußes und entblößten Hauptes sprachen der Bürgermeister und sodann der König die Formuln aus, und letzterer bestätigte damit alle unsre Freiheiten und Gerechtigkeiten und gelobte, die Stadt zu vertheidigen und gegen sie zu handeln, als ein frommer Fürst von Rechtes wegen thun soll. Und darauf gaben die Zweie sich einen ehrlichen Handschlag an Eides Statt; und alle Rathmannen und Bürger traten zum König und jeder gab und empfing einen Deutschen Handschlag.

So war nun diese wichtige Sache glücklich abgehandelt und jeder Theil völlig zufrieden gestellt und lobte Gott im stillen Herzen. Und der alte Herr Hohusen strich sich vergnügt den silberweißen Bart und ließ durch den Herrenschenken und die Diener Zuckerkraut (Confect) und Rheinischen Wein umherreichen, und jeder anwesende Mann, Fürst, Rathsherr, Ritter oder Bürger nahm sein Glas und trank’s dem andern zu nach altem Brauch. Und die Bürger traten vor und boten dem König Gruß, Glück und Heil. Und der König antwortete „Dank habet’s ihr lieben Herren und Bürger!“ Und darauf lud der König in freundlicher Rede Bürgermeister und Rath, so wie alle anwesenden Bürger auf des nächsten Tages Abend zu Gaste, welche Einladung Herr Dieterich Hohusen im Namen Aller mit geziemender Dankbarkeit annahm. Darnach hob der [213] König die Sitzung auf und verließ, von der ganzen Versammlung begleitet, das Rathhaus, um in seine Herberge zu gehen.


V. Von allerlei Lustbarkeiten.

Selbigen Tags (den 4. Mai), nach glücklicher Erledigung der Staatsgeschäfte, speiseten die Majestäten zwar zur Erholung allein in ihrer Herberge, für den Abend aber hatten sie E. E. Raths höfliche Einladung zum Banquet und Tanz auf dem Eimbeck’schen Hause freundlich angenommen.

Gegen acht Uhr Abends kamen also die Fürstlichkeiten mit Ritter- und Adels-Gefolge und allem Hofgesinde aufs Eimbeck’sche Haus, allwo E. E. Rath sie gar herrlich mit Trompeten und Pauken empfing. Oben in der großen Halle waren die 80 Bürger sammt ihren Hausfrauen, Töchtern und Söhnen in Sonntagsröcken und Festgeschmeide schon versammelt. Und das Tractement, so der Rath aus Stadt-Kosten den Herrschaften vorsetzte, war über die Maaßen gut, und machte dem Raths-Koch wie dem Raths-Kuchenbäcker, imgleichen dem Schenken und dem Kellerhauptmann alle Ehre. Und die Königin erfreute bei diesem Tractement ihr Gemüthe also, daß sie dem Bürgermeister laut zurief, daß man doch in Hamburg so ausnehmend gut wie nirgendwo in der Welt zu speisen verstehe, – welche gerechte Lobpreisung unsrer guten Stadt zu vernehmen, denen Herren des Raths wie sämmtlichen Bürgern eine ungemeine Freude verursachet hat. Und nach eingenommener Collation spielten die Raths-Musikanten auf, mit allen Violen, Geigen, Flauten, Zinken und Trompeten. Der Tanz begann mit der ernsthaften Sarabande, die der König mit der ältesten Frau Bürgermeisterin und die Königin mit dem ältesten Bürgermeister, Herrn Hohusen, eröffnete; und ferner wurde getanzt und hofirt und courtoifirt, daß es Art [214] hatte, und die jungen Hamburger Bürgerssöhne meinten darin den Rittern und Junkern vom Hofe mit Nichten nachzustehen und machten ihre Sachen gut, und die Hoffräulein mochten ebenso gern mit ihnen tanzen, als die Ritter und Junker mit den schönen Bürgerstöchtern. Und der König, ein in allen ritterlichen Künsten gar gewandter Herr, tanzte so dannig und drade (flink) mit den Bürgersfrauen als sonst mit den Hofdamen. Also endete denn dieser wichtige Tag mit einem frohen Feste in allgemeiner Lust und Freude.

Nächsten Tages, am 5. Mai, war der Sonntag Misericordias Domini. Da ritt der König nebst Gefolge zum Dom und nahm seinen Platz auf dem hohen Chor, wo man nach altem Brauch das Evangelium absang. Die beiden jungen Fürstensöhne, Franz von Lauenburg und Franz von Lüneburg, stunden bei ihm. Und nach dem Evangelium wurde die Orgel gespielt und vielstimmig gesungen: Te Deum laudamus. Und weil der König Herrn Stephan Kempe, den Pastor zu St. Catharinen, gern gehört hatte, so hielt derselbe auch heute den Sermon. Er predigte über das Evangelium: „Ego sum pastor bonus, ich bin ein guter Hirte,“ wobei er viele seine Nutzanwendungen für die Hirten der Völker, die Fürsten, anbrachte. Darnach wurde gesungen: „victimae pascali laudes,“ damit schloß der Gottesdienst.

Zur Mittagstafel in des Königs Herberge kamen geladenermaaßen sämmtliche Herren des Rathes und die Bürger. Da zwar alle achtzig gebeten waren, aber nicht Platz gefunden hätten, so erschienen auf des Raths Anordnung aus jedem Kirchspiel nur fünf, mithin zwanzig zusammen. Die beiden jungen Fürsten waren auch recht lustig dabei. Das Gastmahl fand zur frühen Stunde statt, etwa um 10 Uhr, und als es 11 Uhr schlug, da hob der König die Tafel auf. Denn es sollte Nachmittags das Turnier sein, und er [215] mochte lieber die Zeit diesem Vergnügen, als den Freuden der Tafel gönnen.


VI. Vom Turnier.

Gleich nach der Mahlzeit ritt der König, in eitel Roth gekleidet, nach der Deichstraße am Orde des Hopfenmarktes, da war seine Rüstung. Bald darauf kam er ganz in Grün gekleidet auf die Rennbahn geritten und tummelte sein Roß so ritterlich, daß Jedermann ob der Reiterkunst Sr. Majestät sich freute. Abermals ritt er in seine Herberge und ließ sich einen Stechharnisch anlegen. Mittlerweile kamen die Königin und die Prinzeß Elisabeth mit ihrem Hofstaat angeritten, die nahmen alle ihren Platz der Rennbahn gegenüber in des Rathsherrn Joh. Wetken Hause, in der oberen Dönns. Auch kam zu derselben Zeit unser Rath mit den Vornehmsten des Adels, die nahmen Platz auf dem Hopfensaal, zur Seite der Rennbahn. Darnach kam der König im Stechharnisch angeritten, die beiden jungen Fürsten von Lauenburg und von Lüneburg führten ihm die Schilde vor. Seine Edelleute gingen neben ihm, die trugen weiße Hemden über den Wämsern, und goldne Ketten am Halse, und Perlenkränze im Haare und hatten ihre Gesichter geschwärzt wie die Mohren. Der König aber war sehr köstlich in Grün gekleidet und forderte ein Stechen mit dem Ritter Christopher von Veltheim, wobei die beiden jungen Fürsten neben dem König liefen; und die Trompeten schmetterten, das Stechen ging los, die Turnierer ritten auf einander, und trafen sich Beide gut. Der König stach Heren Cristopher herunter, fiel selbst aber auch von der Gewalt des Stoßes zu Boden. Schnell halfen seine Junker ihm wieder auf.

Darauf turnierten andere Ritter mit einander, der blieb fest im Sattel, jener wurde in den Sand geworfen; oft [216] fielen Beide. Nach Verlauf einer Stunde stach der König abermals mit einem andern Edelmann, den stach er ab, daß er unsanft vom Pferde kam. Darnach stach derselbe Edelmann mit Christopher von Veltheim, und beide fielen ab. Darauf stach ein Paar in Kürassen, der Eine kam zweimal zu Falle; ein anderes Paar stach scharf, auch der junge Lauenburger Fürst turnierte im vollen Küraß mit zweien Rittern; und so ging das Turnieren fort, so lange noch einige Ritterbürtige da waren, die solcher Ergötzung zu Liebe Knochen und Haut feil tragen mochten.

Als nun dieser Lust genug gethan war, begann eine andere. Abends gegen 8 Uhr fand abermals auf dem Eimbeck’schen Hause ein Banquet und Tanzgelag statt; König, Königin und Prinzessin, die jungen Fürsten und alle Ritter, Junker und Hofdamen waren zugegen und tanzten bis 10 Uhr. Dabei ward geschenkt Rheinwein, Eimbecker Bier, Hamburger Bier, so viel als man nur trinken konnte und mochte; es ging hoch her, und wohl an 100 Gläser wurden bei dem Vergnügen entzwei gestoßen. Darnach auf die Letzt wurde der König von all den guten Dingen so ausnehmend lustig, daß er in seiner Fröhlichkeit der Königin die Flege (Haube) vom Kopfe stieß, und dann allen andern Frauen und Jungfern desgleichen, so daß sie Alle in bloßen Köpfen und fliegenden Haaren tanzten, was gar „kürig und spaßhaft“ zu sehen gewesen ist.


VII. Abermals Arbeit, adermals Kurzweil.

Montag, den 6. Mai, Vormittags, ritt der König wieder aufs Rathhaus und handelte fleißig in der Papen-Sache bis Mittags. Es wollte wieder nichts helfen, die Katholischen vom Capitel forderten vom Rath die Herstellung der abgeschafften Ceremonien, und zumal die Wiedererstattung der dem [217] Lutherthume zugewendeten Kirchengüter, als ursprünglich für den katholischen Gottesdienst bestimmte Stiftungen, und ein Spruch des Reichs-Kammergerichts zu Speyer stand den Papen zur Seite. Der Rath aber vermeinte, da es in Hamburg keine katholische Gemeinden mehr gebe, so müßte das streitige Vermögen den evangelischen Kirchen zu Gute kommen. Daß nun der König als eifriger Protestant den Papen nicht grade beistand, ist zu denken. Und daß diese, auf Urthel und Recht fußend, in nichts nachgaben, gleichfalls. An demselben Tage vollzog der König auch den neuen Pergamentbrief, der seine Bestätigung der Hamburger Freiheiten und Rechte enthielt, mit seines Namens Unterschrift in Vieler Gegenwart, worauf die Urkunde dem Rathe feierlich übergeben wurde. Zur Erholung nach diesen Staats-Actionen, und zur Verdauung nach eingenommener Mahlzeit turnierte der König Nachmittags von halb drei Uhr an mit den beiden jungen Fürsten und 15 Herren, Alle im vollen Küraß, bis gegen fünf Uhr. Und Abends gab’s wiederum Kurzweil auf dem Eimbeck’schen Hause, da wurde in der Majestäten Gegenwart zu Fuße turniert und getanzt. Da stand auch ein Banquet bereit, da machten sich die Herrschaften fröhlich, so daß die Lustbarkeit gar bis 4 Uhr Morgens dauerte.

Dingstag, den 7. Mai, ruhete der König ein wenig aus, Nachmittags fuhr er auf der Alster in einem kleinen, schön verzierten Ever spatzieren. Hernach gegen 5 Uhr, da er wieder in seiner Herberge in Ebert Huge’s Hause war, überraschten die beiden jungen Fürsten von Lauenburg und von Lüneburg die königlichen Personen gar ergötzlich; sie kamen nämlich in prächtiger Verkleidung als Mohren und hatten ihre Antlitze schwarz bemalt, so auch die ihrer Diener, und ließen vier Geiger voraufgehen und lustig streichen, und brachten also dem Könige einen Mummenschanz zum Valett. Denn noch [218] selbigen Abends um 10 Uhr beurlaubten sich die beiden jungen Fürsten vom Könige und der Königin, und fuhren in einem Ever die Elbe hinauf nach Winsen.

Am Mittwoch, den 8. Mai, handelte der König noch einmal (aber in seiner Herberge) in der Papen-Sache von Morgens 7 bis Nachmittags 2 Uhr, also 7 Stunden lang, was keine Kleinigkeit ist. Und obwohl der König sich selbst so großer Mühe dabei unterzog, so haben doch die Papen in keiner Weise sich schicken wollen. Blieb also diese leidige Stadtsache noch unausgetragen.


VIII. Abreise und Schluß.

Am Donnerstag, den 9. Mai, also am neunten Tage nach des Königs Ankunft, erfolgte die Abreise Ihrer Majestäten. Nach dem glänzenden Einzuge und herrlichen Empfange, und nach so manchem kostbaren Beweise der Gastfreiheit der Hamburger, hatte der König sich alle Feierlichkeiten beim Abzuge freundlich verbeten, und wollte ganz incognito, ohne daß irgend Aufhebens davon gemacht werde, sich verabscheiden. Es war früh Morgens, als er seinem Wirth Ebert Huge zum Balett die Hand reichte und mit kleinem Gefolge von fünf Reitern durch die Stadt nach dem Dammthore ritt. Dort sah man den König im grauen Mantel rasch zum Thore hinaussprengen und nach dem Grindel reiten; da war der Sammelplatz seines Gefolges. Dort traf auch gleich nach ihm seine Gemahlin ein. Und als 40 Mann beisammen waren, setzte der Zug sich in Bewegung und verließ bald darauf die Hamburger Grenze.

Und hiermit endet die wahrhafte Geschichte von des glorwürdigen Herrn Christian III., Königs von Dänemark, hochpreislicher Anwesenheit zu Hamburg vom 1.–9. Mai 1538.

Anmerkungen

[383] Durchaus geschichtlich, vorzüglich dem Plattdeutschen Bericht eines Augenzeugen, Heft 1, S. 151 ff. der von Lappenberg herausg. Hamb. Chroniken, nacherzählt. Viele Einzelheiten sind aus andern handschriftl. und gedruckten Chroniken eingefügt.