Volkssage von der Burg Stolzeneck

Textdaten
Autor: Auguste Pattberg
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Volkssage von der Burg Stolzeneck
Untertitel:
aus: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. In: Neue Heidelberger Jahrbücher, Band 6, Seite 101–102
Herausgeber: Reinhold Steig
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Koester
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Heidelberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Internet Archive, Commons
Kurzbeschreibung:
Originaltextstelle: Badische Wochenschrift Nr. 10 vom 6. März 1807, Sp. 154–155
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[101]
Volkssage von der Burg Stolzeneck.[1]

Auf der Burg dieses Namens wohnte vor alter Zeit ein Ritter, mit Gottfrieds Heer zog er gegen die Ungläubigen, und liess seine Schwester mit einigen alten Dienern allein auf der Burg zurück.

Da kam eines Tages ein fremder Ritter und warb um ihre Hand; doch das Fräulein sprach mit kurzen Worten: nein! Der ergrimmte Freier warf sie ins Burgverliess, und ermordete alle Menschen und Thiere, die er im Schlosse fand; nur ein zahmer Rabe, des Fräuleins Liebling, rettete sein Leben, und erhob sich in die Luft. Der Wütrich schwur, der Unglücklichen nicht eher Speise noch Trank zu reichen, bis sie ihm die Hand geben würde; alle Tage kam er vors Gitter, und immer sprach sie nein. Bei jedem Male glaubte er, nun würde sie der Hunger zum Jawort nöthigen; allein zu seinem Erstaunen antwortete sie ein ganzes Jahr hindurch immer nein. Ihr Liebling, der treue Rabe, brachte ihr täglich Früchte, die ihr den Durst löschten, und Wurzeln, die sie nährten; so erhielt er ihre Tage. Als endlich der Bruder wiederkehrte, fand er seine Burg ausgestorben und leer; er sah hinab vom steilen Berge ins einsame Neckarthal, doch nirgends entdeckte er eine Spur von der geliebten Schwester. Da vernahm er plötzlich ein leises Seufzen, eine wehmüthige Klage aus der Tiefe der schrecklichen Gefängnisse, folgte schnell dem bangen Ton und erkannte die Stimme seiner Schwester: sie erzählte ihm ihr trauriges Schicksal[WS 1], aber gleich dem Sturmwind eilte in diesem Augenblick der fremde Ritter daher, das gezückte Schwert in der Hand, stürzte er auf den Wehrlosen zu; dieser ohne Waffen und Wehr glaubte sich verloren, doch siehe! es flatterte unter Sausen und Brausen ein Heer krächzender Raben aus den dunkeln Gründen des Waldes herauf, herbeigelockt vom Liebling des Fräuleins, fielen sie über den Fremden her, er vermochte nicht, sich des ungeheuern Schwarms zu erwehren; sie hackten ihm die [102] Augen aus und tranken sein warmes Blut und liessen nicht ab von ihm, bis er ohne Leben lag, und folgten noch mit grässlichem Geschrei seiner Leiche, die in ungeweihter Erde verscharrt wurde.

A. P.     

  1. Badische Wochenschrift. Nr. 10. Freitags den 6. März 1807. Sp. 154. 155.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Sckicksal