Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Dresden

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Autor: Unbekannt
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Titel: Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Dresden.
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aus: Literarisches Conversations-Blatt, Nr. 245, 253
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1824
Verlag: Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Kataloge der Ausstellung siehe Verzeichniß der am Augustustage den 3. August 1824 in der Königl. Sächsischen Akademie der Künste zu Dresden öffentlich ausgestellten Kunstwerke und Verzeichniß derjenigen Gegenstände, welche zu der dießjährigen öffentlichen Ausstellung inländischer Gewerbs-Artikel eingesendet worden sind (Dresden, 1824)
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Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Dresden.[1]

Sie fodern mich auf, Ihnen recht offen meine Meinung über die hiesige Kunstausstellung zu sagen, dies ist aber ein schwieriges, undankbares Geschäft. Jede Meinung ist einseitig, den Zauber des Schönen können die todten starren Buchstaben nicht niedergeben, wol können sie aber zu verwundenden Dornen werden; dies möchte ich nicht; es ist mir eben so verhaßt zu kränken als zu schmeicheln! Nur aus verschiedenartigen Ansichten kann man die echte Wahrheit erkennen; ich begleitete deshalb mehre Gesellschaften von Bekannten in jene Säle; ich lauschte auf die Aeußerungen eines Jeden; diese Gespräche will ich treu berichten, möge in ihnen sich das Gesehene klar spiegeln! Die Familie, in deren Gesellschaft wir heute zuerst das Professorzimmer besuchen wollen, besteht aus sehr verschiedenartigen Menschen: der Vater ist ein tüchtiger praktischer Geschäftsmann; die Mutter ist warmfühlend, anspruchslos und natürlich; der älteste Sohn Fedor ist viel und mit Nutzen gereist; der jüngere, Edwin, will sich selbst der Kunst widmen; Rosa, die Schwester dieser Jünglinge, sieht Alles mit jugendlich poetischer Schwärmerei an; eine Tante, die sie begleitete, paßt wenig in den Kreis dieser Menschen, denn sie ist ganz Weltfrau; indeß sie war nun einmal dabei. Wir wendeten uns auf Fedors Rath zurück in’s Professorzimmer, weil er meint, um die Werke der Meister zu beurtheilen, müsse das Auge noch frisch und nicht ermüdet sein. „Nun, so wollen wir denn gerade mit dem leeren Zimmer anfangen,“ rief der Vater, „obschon die andern bunter, voller und lustiger aussehen.“

Fedor. Welch’ ein treffliches Bild ist dieser Herkules, der den nemäischen Löwen tödtet! Dies erinnert an die gymnastischen und athletischen Kämpfe, bei denen die bildende Kunst so viel zu studiren fand.

Edwin. Es ist eigentlich doch nur ein Act nach der Natur; der Professor Hartmann benutzte den sogenannten französischen Herkules dazu, der vorigen Winter hier Darstellungen seiner ungeheuern Kraft gab, sonst müßte es wol noch wilder und gefahrvoller bei diesem Kampfe zugehen; dieser Löwe läßt ziemlich geduldig Alles mit sich machen.

Fedor. Darauf kommt es hier nicht an; Darstellungen aus echt antiker Heroenzeit müssen stets eine großartige Ruhe haben; die vollste Entwicklung des Muskelspiels ist hier die Hauptsache, und wie schön ist diese gelungen, wie unübertrefflich sind besonders Hände und Füße gemalt! Der Künstler selbst nennt es bescheiden nur einen Act, nicht ein Ideal, aber nur ein großer Meister vermag es, jenen so auszuführen und die Stellung zugleich so gut zu wählen, daß sie am vortheilhaftesten für sein Original ist, bei dem die stark gebaute Brust und die muskelkräftigen Arme am auffallendsten waren. Wie schön ist dabei der Ton dieses Colorits gewählt, still, ernst und kräftig, wie es sich für ein solches Bild ganz geziemt.

Rosa. Bewundere wie Du willst, Bruder, ich gestehe, daß ich dieser ganzen Gattung von Kunstwerken wenig Geschmack abzugewinnen vermag; sie geben doch dem Herzen gar nichts. Wie rührend ist dagegen das kleine Bild desselben Meisters, die Mutter mit den harmlos schlummernden Kindern, welche der Tod unerwartet ergreift und mit sich fortreißt.

Die Mutter. O dies ist ein furchtbar herzzerreißendes Bild. Wie konnte der Künstler gerade dies Jahr, wo so manches Mutterherz gebrochen ist durch den Verlust seiner Lieblinge, so einen Gegenstand wählen? Wie schrecklich erscheint es, wie der zum Fenster hereinlangende Tod ein Kind schon über die Achsel geschleudert mit fortträgt und eben noch mit schauerliche Knochenhand das zweite berührt!

Rosa. Wie kann man überhaupt den Tod noch so als furchtbares Geripp darstellen, ein schöner Jüngling sollte er sein, mit gesenkter Fackel, der mit leisem Kuß hinüberführte.

Edwin. Das Colorit des Bildes ist auch so trüb, keine einzige frische Farbe erheitert das Ganze; die Palette war fast schmutzig bei dieser Arbeit zu nennen.

Fedor. Soll es denn eine griechische, von Licht und Schönheit strahlende Mythe sein? Die Worte des Propheten Jeremias: „Der Tod kam durch die Fenster in unsre Paläste, unsre Kinder zu würgen,“ wollte der [978] Künstler in Bild und Farbe aussprechen; und er that es. Das bleiche Mondlicht von Außen, die erlöschende Lampe von Innen, Alles erhöht den Eindruck, und, künstlerisch betrachtet, ist wol dies Skelett selbst bewundernswerth.

Der Vater. Werden denn aber diese beiden Bilder jemals bezahlt werden? das ist doch die Hauptsache! wer soll so etwas kaufen!

Die Tante. Seht doch dafür lieber das charmante Bild hier daneben, der kleine Bacchus, der dem lieblichen Amor Wein in die Schale gießt; dies gefällt mir im ganzen Saale am besten.

Edwin. So große Auszeichnung verdient es kaum. Man erkennt gleich am Colorit, daß es vom Prof. Pochmann ist. Sehen Sie nicht, Tantchen, daß das rechte Beinchen des Bacchus gar nicht zurückweichen will, und die Trauben sind doch auch recht trüb und undurchsichtig.

Fedor. Sei nicht zu hart, Bruder! Das Bildchen ist ganz Anakreontisch; es verlangt nicht sich für mehr zu geben als es ist; dies ist heutzutage schon ein seltnes Verdienst, und der Ausdruck lieblicher Schalkhaftigkeit in dem Köpfchen ist doch wahrlich sehr hübsch, wenn auch eine bestimmte Manier durchleuchtet.

Rosa. O Fedor, sieh’ hier Göthe’s Fischer! „Halb zog sie ihn, halb sank er hin!“ Wie reizend ist diese Darstellung, wie heimlich und traut das Plätzchen an stiller Bucht, so schattig kühl, wo oben das heiße Sonnenlicht durch die Blätter spielt; mit trunknen Blicken hängt der liebeglühende Jüngling an der holden Nixe, die so sehnsüchtig mit den sapphirklaren Augen nach ihm schaut, und die doch aussieht, als könne sie trügerisch leicht wieder in Tropfen und Thränen zerrinnen! Sie faßt seine Hand; schon netzt die lockende Welle seinen Fuß, ach, es ist bald um ihn geschehen!

Fedor. Ja, Du hast Recht, meine Rosa, es ist ein zartempfundnes reizendes Bild; so treu dem Sinne des Dichters weiß nur unser Retzsch zu componiren; welch’ ein herrliches Seitenstück macht dies zu seinem unvergeßlichen Erlkönig! So treu wie befreundete Klänge dem Wort, so schmiegt es sich dem unsterblichen Liede an. – Uebersieh aber auch nicht das Bildchen daneben von demselben Meister; dies ist hellenischer Scherz! Der trunkne Faun, auf dem Weinschlauch sitzend und zugleich daraus schlürfend, erinnert an eine echt antike Lampe, wo ich dieselbe Darstellung sah; das lose Mädchen, die mit einem Speer von hinten den Schlauch durchsticht und den Trinker so auf’s Trockne bringt, ist überaus reizend gedacht.

Edwin. Dieser Künstler geht doch ganz einen eignen Weg, er folgt weder dem altitalienischen noch alldeutschen Styl, und zu den sogenannten Akademikern gehört er auch nicht.

Fedor. Um so besser; wohl Jedem, in dem sich der Beruf für ein bestimmtes Fach der Kunst so klar und genial ausspricht. In den romantischen Sinn der Dichter einzudringen und Scenen aus ihren Werken in kleinen Gemälden sowol als geistvollen Umrissen treffend darzustellen, dies versteht Niemand besser als unser Prof. Retzsch; wie sinnig und schön sind hier auch die 16 Blätter Umrisse zu Schiller’s Ballade: Der Kampf mit dem Drachen, welche die Fortsetzung seiner Schiller-Galerie bilden. Wie ist hier Manches, was das Wort kaum anzudeuten vermochte, durch das Bild ergänzt und ausgemalt! wie reizend, lebendig und seelenvoll sind alle diese Gestaltungen. Das Ausland, besonders England, erkennt den phantasievollen Künstler an, und würde ihn ganz zu würdigen wissen, wenn es ihn besäße.

Edwin. Es mag sein; willst Du sehen, was mich weit mehr anzieht, so betrachte dies köstliche kleine Altargemälde des Prof. Vogel, wie der heil. Nepomuk im Vorgefühl seines nahen Märtyrertodes in der Kirche zu Alt-Bunzlau betet. Sieh diese Innigkeit und Wahrheit, diesen grenzenlosen Fleiß in der Behandlung aller Nebendinge sogar!

Die Mutter. Wie fein und herrlich sind die Spitzen am Meßgewand!

Rosa. Und die bunten Glasfenster in den fernen Kreuzgängen!

Fedor. Alles wahr; Alles was auf diesem trefflichen Gemälde die Erde darstellt, ist wahrhaft himmlisch, nur der sichtbar werdende Himmel stört mich darin; warum diese Erscheinungen des Heilandes, nebst Maria und Johannes, und die Englein mit den Palmen so nah heranrücken und so im Geist der byzantinischen Schule darstellen? Wir sehen im fromm verklärten Blick des Heiligen, daß der Himmel ihm offen ist, wozu sollen auch wir ihn schauen, auf eine Art, die mir für die Wirklichkeit nicht erhaben und für die Erscheinung nicht duftig genug ist. Mir wäre in diesem frommen, stillen, hochvollendeten Bilde der Himmel wirklich offen, wenn ich ihn nur ahnen dürfte und nicht sehen sollte!

Edwin. Dies mußte aber bei dieser Darstellung so sein, da der Raum beschränkt war. – Die beiden Portraits wirst Du aber doch vortrefflich finden?

Fedor. Wenn ich gestehe, daß ich andere dieses braven Meisters sahe, die mich noch mehr befriedigten und entzückten, so sei dies kein Tadel der gegenwärtigen. Die beiden kleinern Kreidezeichnungen von ihm, Göthe darstellend und Minister Nostitz, finde ich von der sprechendsten Aehnlichkeit. Die Sammlung solcher Portraits großer und merkwürdiger Männer, welche Prof. Vogel sich zeichnete, gehört zu dem Interessantesten, was man nur sehen kann; möchte ein Lavater einst darüber schreiben!

Der Vater. Kinder, kommt hierher! Seht dieses Portrait, welches Matthäi, der Professor, malte, und gesteht’s, Besseres gibt es nichts auf der ganzen Ausstellung.

Fedor. Ja, hier ist Natur, Wärme und Leben! Wie genial ist der Kopf dieses polnischen Generals aufgefaßt, Tapferkeit, Feuer und ritterliche Galanterie aussprechend [979] im echt nationellen Sinn. Wie kühn blickt er aufwärts, wahrlich, der aufsteigende Pulverdampf ist der wahre Hintergrund für diesen herrlichen Kopf! Schön und leicht ist der Mantel über die linke Achsel geworfen; trefflich sind die Hände gemalt; die Rechte hält ein Perspectiv, um den kühnen Blick des Helden noch zu beflügeln. Es ist schön gedacht und meisterhaft ausgeführt bis auf jede Kleinigkeit.

Rosa. Dies Heldenbild fesselt Euch Alle und Ihr übersetzt ganz die schönen stillen Cecilien, die mich innig anziehen. Welche findest Du vorzüglicher, Fedor, jene dort im kleinern Maßstab in ganzer Gestalt, welche die Harfe im Arm hält und so überaus zart ausgeführt ist – sieh ihre edeln Züge, die wunderschönen Händchen, den feingelegten Schleier, das enganschließende mit Perlen besetzte paille Gewand –, oder gefällt Dir diese größere besser, die so schwärmerisch aufwärts blickt, während ihre Hände auf den Tasten der Orgel ruhen?

Fedor. Beide sind mit Fleiß, Sinn und Liebe gemalt; die Ausführung ist an beiden vollendet zu nennen; doch lache nicht, wenn ich bei beiden eigentlich die Musik vermisse, besonders aber bei der erstern, deren Harfe überhaupt so müßig im Arm ruht, sie sind von keinen Harmonien umwogt; hier finde ich weder die glühende Begeisterung einer Rafael’schen Cecilia, welche selbstvergessen auf die Gesänge der Engel lauscht, noch die stille innere Seligkeit, womit eine Cecilia des C. Dolce sich in das Reich der Klänge versenkt. Die trübe Wehmuth der erstern paßt so wenig zur Cecilia als die Harfe, da gerade diese Heilige durch die Erfindung der Orgel die früher übliche Harfe bei der christlichen Gottesverehrung verdrängte. Trefflich ausgeführt in einem Styl, der sich sehr dem des van der Werff nähert, ist aber diese Cecilia von Hrn. Rensch. Begeisterter ist wol die andere, vom Inspector Schmidt; ihr würde ich unter beiden den Preis ertheilen. Auch dieser Johannes und die Madonna von demselben Künstler sind in einem edeln reinen Styl, ich sahe aber in seinem Attelier ein Madonnenbild, welches mir noch ungleich lieber ist. Möge heitere Lebensfreude diesem wackern Künstler erblühen; es liegt eine gewisse Strenge in seinen Werken, von der man jetzt noch nicht ganz bestimmen kann, ob sie zum echt Grandiosen führen werde oder zu einer Art von Härte; innerer Frohsinn würde hier am sichersten leiten. –

Die Tante. So einen Ueberrock lasse ich mir gewiß machen, wie ihn die Dame trägt, die dort im Grünen sitzt, aber versteht sich, mehr um ihn in’s Theater und zu Morgenbesuchen zu tragen, als zur Promenade, da verliert man sich ja mit diesem matten Grün ganz unter die Büsche, das relevirt gar nicht und ist schlecht berechnet, um Wirkung zu machen.

Edwin. Prof. Rößler scheint es sich zur Kunstaufgabe gemacht zu haben, dies lebensgroße Portrait mit lauter so matten eintönigen Farben zu umgeben und zu zwingen, daß es sich doch sehr gut heraushebt. Die Landschaft im Hintergrunde, welche die Aussicht von Findlater’s Weinberg herab zeigt, wird wol selten in der Natur so staubig und farblos erscheinen; indeß gestehe ich, daß dies Bild mir weit besser gefällt als das männliche Portrait desselben Meisters.

Der Vater. Es ist doch eine gewaltige Verschwendung, so eine große Leinwand zu nehmen, wie hier bei dieser heiligen Barbara, um dann eine einzige kleine Figur darauf zu malen und übrigens lauter Wolken: denn die Engel dort oben sind kaum für etwas zu rechnen.

Fedor. Bestimmteres Studium der Legenden wäre wol den Künstlern zu empfehlen, die solche Gegenstände wählen, um individuellem Charakter hineinzubringen. Es ist indessen ein gefälliges Bild unsers fleißigen Arnold, und wird auf einem einsamen Altar seine Wirkung nicht verfehlen.

Die Mutter. Mir gefallen jene beiden Portraits von Baumann; sie sehen so natürlich aus, daß man vergißt, daß sie gemalt sind.

Fedor. Weil mehr sprechen mich indeß diese beiden männlichen Köpfe von Prof. Bosse an; besonders der Greis mit den weißen Locken ist überaus geistvoll und lebendig; Behandlung und Styl gefallen mir in beiden sehr. Vortrefflich ist auch dies Portrait Grassi’s in halber Lebensgröße, nach Grassi vom Prof. Schrenel; dies ist Ton und Farbenschmelz. Die Miniaturen desselben Meisters sind zart und lieblich. Aber dort steht unsere Rosa mit begeistertem Blick; was zieht Dich so mächtig an?

Rosa. Diese herrlich großartige Natur auf der Landschaft hier, die Prof. Friedrich nach einer Zeichnung des geistvollen Carus malte. Sieh, Fedor, wie die Gebirgsmassen sich himmelan thürmen; wie mannichfaltig ist ihre Färbung und Gestaltung, wie zart der magische Duft, der Lebensodem der Natur, der sie umweht! Ich könnte niederknien und beten vor dieser heiligen Größe der Urgebirge; ich könnte weinen über dieses absterbende Bäumchen, welches zwischen den schroffen zackigen Felswänden so einsam steht und vergeht! Wie eine erhaben, Kirchenmusik, so spricht diese Landschaft zu meiner Seele, Sehnsuchtweckend, Wünschestillend! Wie schön glänzt jener reine Schnee, der die nie betretnen Gipfel umhüllt, von dem rosigen Sonnenstrahl geküßt in stillerrötdendem Schimmer!

Fedor. Uebersieh auch das andere Werk des genialen Friedrich nicht, das Eismeer, ganz so wie wir es aus des wackern Parry’s Schilderungen kennen; es ist schön in seiner starren feindlichen Größe.

Rosa. Ja wol, doch möchte ich es nicht immer vor Augen haben; entzückend finde ich aber jene Ruine einer gothischen Capelle, in deren düstere Grabgewölbe glühender Abendsonnenschimmer einströmt. Wie spielt das freundlich jugendliche Licht um das alternde moosige Gestein, welches umzogen ist vom rankenden Gestripp, und wo überall zwischen den einsinkenden verwitterten Erinnerungen der Vorzeit blühendes Leben der Pflanzenwelt [980] sich hervordrängt. Ich möchte neben den einsamen Wanderer treten, der dies Heldengrab so sorgsam betrachtet, um so mehr, da ich glaube, in ihm den lieben Künstler zu erkennen, den ich so gern für viele der herrlichsten Genüsse danken möchte!

Fedor. Kleine Schwärmerin, wol weiß ich, wie Du immer an Friedrich’s Werken hängst. Doch übersieh unsern wackern Dahl nicht. Sein Seesturm gehört zu den schönsten Werken dieser Art; diese Wogen rauschen und wirbeln, thürmen sich und schäumen; es ist eine Bewegung, Leichtigkeit und Wahrheit darin, wie man sie selten findet. Wie trefflich und sorgsam ist Alles bis auf’s Kleinste ausgeführt; wir sehen dies Schiff sich am Felsenriff zertrümmern; einzelne Matrosen retteten sich auf jene unwirthliche Klippe; andere suchen im Boot jenes pfeilschnell segelnde Schiff zu ereilen; die Unglückliche, die sich da an das Tauwerk klammert, kann sich nur noch Minutenlang erhalten. Die Streifregen, die vom Sturm gepeitschten Wolken, Alles ist treu und wahr der Natur abgelauscht. Reizend ist dagegen seine Gebirgspartie aus Tirol, wo der Gießbach zwischen den schroffen Felswänden herabschäumt.

Edwin. Und übersiehst Du seine schauerliche Seeküste von Norwegen, und jenen furchtbaren Ausbruch des Vesuvs mit den brennenden Glutströmen der Lava und der Aussicht auf Neapel?

Fedor. So brav dies Werk sein mag, so spricht es mich weniger an, weil es mir die Grenzen malerischer Darstellung in der Wahl des Gegenstandes zu überschreiten scheint, weil solche Wahrheit aufhört, künstlerisch schön zu sein und jede Nachbildung doch pygmäenhaft erscheinen muß.

Der Vater. Ich freue mich stets, noch etwas von unserm tüchtigen Veteran Klengel zu sehen, den ich schon in der Jugend am liebsten hatte.

Fedor. Verjüngt sehen wir ihn in den braven Werken seines fleißigen Schülers Traugott Faber, dessen Schloß Lohmen mir besonders gefällt. Eusebius Faber gab ein paar recht liebliche kleine Landschaften, doch ist mehr Geschmack als Studium darin. Trefflich sind Hammer’s Aquarellgemälde.

Die Mutter. Warum verweilt Ihr aber gar nicht bei Schnorr’s Sepiazeichnung, Hermann und Thusnelden darstellend?

Fedor. Weil ich sie weder echt nationell, noch lebendig und charakteristisch finde. Doch wir sahen wahrlich genug für heute. Bei einem zweiten Besuch, wo wir durch die andern Zimmer streifen, finden wir vielleicht auch hier in diesem noch etwas zu betrachten.

[1009] Der Vater. Heute soll mich Niemand aus diesen ersten drei Abtheilungen bringen. Hier ist Alles so voll und bunt und reich, daß man seine wahre Freude daran hat.

Fedor. Gut, daß wir nicht früher wiederkehrten; jetzt sind die beiden Landschaften unserer vielversprechenden jungen Künstler aus Rom eben angekommen und geben reichen Stoff zu Betrachtungen! Gestehe es, liebe Rosa, in dieser Klarheit, in dieser blauen Luft und Ferne ist auch Poesie, und eine reinere, echtere, als in den Duft- und Nebelbildern, die Du so sehr liebst! Sieh diese Landschaft des jungen Oehme, sie ist so wahr, daß ich mich ganz wieder in die Gegend bei Camaldoli versetzt fühle; ich erkenne diese hohe Baumgruppe, jene üppigen Aloestauden. Ich möchte die ehrwürdigen Väter selbst, die unter diesem Schatten wandeln, als alte Bekannte begrüßen.

Rosa. Gern glaube ich an die reine Bläue des Südens, in deren Klarheit man Alles so bestimmt erblickt; gestatte mir nur auch, die sanftverhüllenden Nebelschleier des Nordens reizend und malerisch zu finden! Es ist eine Bemerkung, die sich mir hier aufdrängt, daß selbst ein ungeübtes Auge alle die im Süden erschaffnen Werke, mit denen diese Ausstellung geschmückt ist, leicht erkennen kann an der großen Bestimmtheit der Umrisse und dem Ernst des Colorits.

Edwin. Welche frische Bergluft weht Einem entgegen aus dieser andern Landschaft, die der junge Richter bei Salzburg nach der Natur zeichnete und in Rom als Oelgemälde ausführte! Ganz vortrefflich ist der Wassersturz, der zwischen den waldbewachsnen Felsen herunterbraust; wie schön ist das Licht auf diese schäumenden Wellen concentrirt, so daß selbst der Reflex davon die ferne kleine einsame Waldcapelle noch beleuchtet; welche Ausführung ist in diesen Felsenmassen, und wie überaus klar spült und rieselt die Flut darüber hin; selbst Ruysdael malte dies nie schöner!

Rosa. In stiller Klarheit leuchten oben die schneebedeckten Firnen, und einladend erscheint die kleine Mühle, mit ihrem mit Steinen beschwerten Dach, mitten in dieser wilden erhabnen Natur, die doch wieder so reich an Reizen ist; die blumigen Wiesen, das mannichfaltige Waldesgrün, Alles ist so frisch, lebendig und klar, daß man sich hinsehnt in die herrliche Alpengegend!

Fedor. Ich finde es höchst interessant, diese Landschaft des talentvollen Jünglings mit jener großen italienischen Landschaft von Rohden zu vergleichen, welche zu der bedeutenden Anzahl von Kunstwerken gehört, mit denen die Liberalität des trefflichen Kunstfreundes Herrn von Quandt diese Ausstellung schmückte. Hier ist der Reichthum des Südens dargestellt in allen Arten südlicher Vegetation, es ist dieselbe Bestimmtheit und Ausführung darin; so wie in der Natur selbst ist der kleinste Halm, die zarteste Blüthe eben so vollendet wie das Größte und Bedeutendste. Es liegt etwas rührend Schönes und Wahres in solcher Ausführung, was durchaus nicht zu tadeln ist, wenn, so wie hier, der harmonische Eindruck des Ganzen nicht darunter leidet. Wie schön contrastirt nun aber die brennende Hitze, die hier Alles durchdringt, mit jener kühlen Waldesfrische!

Rosa. Wir können es nicht dankbar genug erkennen, daß wir so durch die Güte des Besitzers manchen Künstler kennen lernen, der nie etwas hieher schicken würde. Der stille ernste Farbenton und edlere Styl dieser Werke läßt sie schnell erkennen. Mich zieht vor allen die herrliche Judith an, von Philipp Veit. Wie edel und rührend sind diese Züge; stille Trauer mischt sich mit erhabner Festigkeit im Ausdruck dieser Hebräerin; das Helldunkel, worin das ganze Gemälde steht, ist magisch schön: die Alte, in deren gemeinem Natur sich nur die Freude über das Gelingen ausdrückt, und das bleiche großartige Heldenhaupt bilden einen überaus schönen Contrast mit der holden Jungfrau, deren Tracht selbst etwas Grandioses, echt Orientalisches hat. – Auch die beiden weiblichen Köpfe von Eggers haben einen eignen Reiz für mich. Wie wohlthuend ist der schöne Ernst dieser Kunstwerke gegen das gefallsüchtige Lächeln der meisten modernen Portraits daneben!

Die Tante. Die Dame da oben, mit dem geschmackvollen Hütchen, wo die weißen Federn sich so [1010] reizend um das interessante Gesicht schmiegen, ist doch zehnmal schöner als Deine Judith!

Fedor. Es ist das Portrait einer erhabnen Monarchin, lieblich gemalt vom Professor Bosse; doch ich gestehe es, die Darstellung ist so durchaus modern und französisch, daß der Contrast mit jener danebenhängenden im echt altitalienischen Styl gemalten Judith auffällt und reichen Stoff zu Betrachtungen gibt. Ungemein schön ausgeführt ist der Dom zu Freiburg von dem berühmten Quaglio; und die kleinen italienischen Landschaften von Helmsdorf und Klein sind interessant und gehören zu den willkommnen Fremdlingen.

Edwin. Um so weniger befriedigt mich jenes Mädchen mit der Guitarre, und die sogenannte heilige Familie daneben! Frühere Arbeiten der Künstlerin, die beide schuf, berechtigten zu höhern Erwartungen. Haben die großen und interessanten Reisen, die sie jetzt machte, sie so verlockt in das Reich des Manierirten und Modernen, so ist es sehr glücklich, daß sie sich nun nach Süden wendet, um ihr Auge an ernster Größe zu stärken und ihren Sinn über Tändelei zu erbeben.

Rosa. Sei nicht zu hart, Bruder! Das Colorit des Mädchens ist wol kalt, aber in dem Köpfchen finde ich doch Grazie und Seele, wenn schon einen Ausdruck, der ganz an Greuze erinnert; und wenn die Familie nur nicht gerade die heilige sein wollte, so wäre es ein angenehmes Bildchen. Der Joseph gefällt mir am besten darauf.

Der Vater. Sonderbar finde ich den Contrast. Wie herrlich hier dies Rebhuhn, nebst anderen Geflügel, von Friedrich gemalt ist, mit welchem Fleiß und zarter Sorgfalt; und wie flach, flüchtig, incorrect und unbefriedigend die allegorische Skizze darüber, die Religion darstellend! Wahrlich, jenes anspruchslose, aber vollendete Bild kann frömmere Gedanken erwecken als solches leichtsinnige Geschmatter höherer Gegenstände!

Rosa. Wunderlich bunt finde ich die Zusammenstellungen in der letzten Abtheilung ; da drängt sich Alles übereinander, und Eines schadet dem Andern. Die schönen Kreidezeichnungen von Matthäi’s Schülern wirken da recht wohlthätig auf das Auge! Überhaupt ist es mir aber räthselhaft, warum die mehrsten der jungen studirenden Künstler, nachdem sie oft so überaus brave schöne Zeichnungen, sowol nach Gyps als nach Gemälden und selbst nach der Natur, liefern, an denen unsere Ausstellung gewöhnlich reich ist, dann plötzlich, sobald sie zum eigentlichen Malen übergeben, völlig verändert erscheinen und weder den reinen Styl noch die schöne Ausführung behalten, die sie sich schon ganz zu eigen gemacht zu haben schienen!

Fedor. Die Farbe wird für Viele eine verlockende Circe, und nach vielen Irrwegen und Erfahrungen wird ihr Zauber erst dienend, anstatt vorherrschen zu wollen. –

Rosa. Aus all dieser bunten Menge habe ich mir schnell meine Lieblinge gewählt; manches sehr Gute mag unter dem Uebrigen sein, mich spricht es aber nicht an. Reizend finde ich die Landschafts-Gemälde des Dr. Carus, besonders seine Phantasie über Musik: diese einsame Harfe, deren Saiten in nächtlicher Stille nur von dem Vollmondstrahl geküßt werden, die Aussicht zum Fenster hinaus auf die gothische Kirche, der tiefazurne Nachthimmel, Alles bringt eine zauberische Wirkung hervor; hier wird Malerei zur Musik und spricht so rührend und innig zum Herzen, wie Worte es kaum jemals vermöchten! Es liegt unnennbar viel in diesem Bildchen; mir erklingen alle Saiten des Herzens, und alle schmerzlich-süße Melodien des Lebens tönen wieder, wenn ich es betrachte!

Fedor. Das echt poetische Gemüth des edeln Künstlers spricht sich bedeutsam und zart in allen seinen Schöpfungen aus. Auch sein von innen hinter der Gardine beleuchtetes Fenster, um welches sich von außen dunkle Weinranken ziehen, reizt die Phantasie zum Dichten und Errathen. – Sehr interessant ist seine große Landschaft, die Aussicht vom Mont Anvert im Thale von Chamouny, getreu nach der Natur gezeichnet. – Recht wahr finde ich auf jener Landschaft von Lehmann das Geisterhafte der Beleuchtung dargestellt, wenn bei anbrechendem Tage der Mond untergeht. – Die Arbeiten des Hofmalers Kehrer aus Ballenstädt kommen seinen frühern nicht gleich; man sieht, wie sehr jeder Künstler es bedarf, immer treffliche Vorbilder vor Augen zu haben, wenn er nicht in Manier versinken soll. – Doch was sagst Du, Rosa, zu den Werken der bekannten braven Künstlerin Louise Seidler, die Früchte ihres mehrjährigen Aufenthalts in Italien sind?

Rosa. Die kleine Apollonia, nach Perugino, zieht mich am meisten an; der Engel Michael aus dem herrlichen Gemälde des Innocenzo da Imola erscheint mir hier doch zu sehr nur als Fragment oder Studien-Blatt, und diese Madonna, nach Rafael, hat wol etwas sehr Alterthümliches und einfach Unschuldiges, aber, möge es nun an mir oder an der Copie liegen, sie befriedigt und entzückt mich nicht. Dagegen gestehe ich, daß ich mit inniger Freude auf die heil. Katharina blicke, welche der erste Versuch eigner Erfindung der talentvollen Mathilde Schelcher ist; man sieht wol noch die ungeübte Hand, aber reines und zartes Gefühl spricht aus dem Ganzen.

Edwin. Ehe wir dies Zimmer verlassen, bitte ich um einen Blick auf den so überaus fleißig ausgeführten Aufriß der St. Lorenz-Kirche in Nürnberg, vom Director Reindel.

Fedor. Im ersten Zimmer bleibt uns noch Manches zu betrachten. Der Carton von Louise Seidler, die heil. Elisabeth vorstellend, wie sie aus ihrer Burg tritt, Almosen austheilend, zeigt von den ernsten Studien der Künstlerin; die Kinder und der Alte gefallen mir am besten, die übrigen Gestalten erinnern mich an manches andere Kunstwerk, doch glaube ich, daß das Ganze durch eine glückliche und kräftige Ausführung recht interessant werden kann. – Unter den [1011] sehr vielen Portraits hier finde ich den alten männlichen Kopf von Aug. Richter ganz vorzüglich schön gemalt, voll Wahrheit und Leben; mit großem Glück scheint dieser junge Künstler sich in den Styl des Prof. Vogel einzustudiren. – Auch das Kniestück, ein junges Mädchen darstellend, mit einem Kornblumen-Kranz in der Hand, von dem jungen Demiani gemalt, zeichnet sich sehr vortheilhaft aus; es ist mit unendlicher Liebe und großem Fleiß ausgeführt und mit sehr gutem Geschmack angeordnet.

Rosa. Dies liebliche Bild fiel mir gleich bei’m ersten Eintritt auf. Desto weniger gefallen mir dies Jahr die beiden Portraits von Sattler, der früher so viel versprach. Die Aehnlichkeit ist unverkennbar, aber sie ist starr und kalt, der Geistesstrahl, die Lebenswärme fehlen; die Farbentöne sind grau, die Malerei selbst daran ziemlich nachlässig, nur die Stellung bei der ganzen Figur in Lebensgröße hat Leben.

Fedor. Betrachte dagegen die kleinen Darstellungen im niederländischen Styl und gestehe es, daß besonders die von Simon Wagner ganz allerliebst sind. Diese tyroler Bäuerin, die ihren Kindern lesen lehrt, ist trefflich, Alles ist naiv und ausdrucksvoll, lebendig und wahr in diesem Bildchen. Ich lobe es, daß mehre junge Künstler jetzt anfangen, sich dieses Fach zu wählen; eine tüchtige Natur ist mir lieber als ein verfehltes Ideal.

Edwin. Uebersieh aber nicht jenes brave Studienbild von Otto Schütz, einem Schüler des Prof. Hartmann, eine Gruppe verwundeter Krieger darstellend aus der antiken Heroenwelt, wobei die Gruppe des Ajax benutzt ist; auch die Portraits von Baumbach und Schröder verdienen Auszeichnung.

Rosa. Mich spricht besonders noch das nette kleine Bildchen vom Hofmaler Raabe an, dies neapolitanische Fuhrwerk, welches so leicht und fröhlich hinfliegt mit den lieblichen Südländerinnen, die eben von der Weinlese kommen; der leichtbekleidete Bursche, als Vetturino, die lustigen Gesellen, die hinten auf dem zweirädrigen mehr Flug- als Fuhrwerk stehen und neckend dem wandernden Tabuletkrämer zurufen; Alle athmet südliche Lust, Alles ist voll Geist und Leben! – Und die beiden sehr hübschen Copien, nach Dahl, von dem andern Raabe, verdienen wol auch Beachtung.

Fedor. Hier stimme ich Dir gern bei; eben so finde ich Funk’s Copie der herrlichen Madonna von Holbein ausgezeichnet schön; aber von den andern Copien, nach hiesigen Galerie-Gemälden, bin ich wenig befriedigt, die mehrsten sind schwerfällig und weit entfernt, den Geist und Ausdruck der Originale wiederzugeben. Recht brav finde ich dagegen die Zeichnung von Zöllner, die Malerei darstellend, nach dem Fresco-Gemälde unsers trefflichen Vogel. – Von den geschickten Schülern unsers wackern Bildhauers Prof. Pettrich ist wieder manche brave Arbeit hier, besonders gefällt mir die Hygiäa, von Neuhäuser erfunden, modellirt und in Gyps ausgegossen; es ist ein edler, reiner und schöner Styl in dieser Gestalt, so wie auch in dem trefflichen jugendlichen Christuskopf, nach Pettrich. – Die reiche schöngeordnete Arabeske, von Funk, nach der Natur modellirt, ist recht brav ausgeführt. – Doch, Vater, Mutter und Tante sind längst schon hinübergeeilt in die Säle der Industrie-Ausstellung, laß uns folgen und die Früchte so fleißiger und mannichfaltiger Anstrengungen betrachten!

Rosa. Der Ueberblick dieses reichausgestatteten Saales, mit seinen Nebenzimmern, ist interessant und schön. – Die herrlichen Porzellan-Waaren, die köstlichen Gold- und Silber-Arbeiten, die schönen Uhren und Instrumente, die zierlichen Schachspiele, die zarten Stickereien, die Garnituren schöngeschliffner sächsischer Edelsteine, die mannichfaltigen Gewebe, die künstlichen Maschinen, alles zeigt von reger Industrie und gesegnetem Gewerbfleiß. Zum erstenmal tritt diese Industrie-Ausstellung neben ihre Kunstschwester; wol darf sie es wagen, und gewiß zieht sie gerade eine große Zahl der Schaulustigen an. Doch ich gestehe es, ich liebe diese Vereinigung nicht, jedes einzeln erfreut mich mehr. Durch dies Nebeneinanderstellen wird bei Vielen nur die Ansicht bestärkt, die Werke bildender Kunst auch zu den Luxus-Artikeln und blos schmückender Zierrath zu rechnen, statt sich an die heiligere, tiefere Seelensprache darin zu halten. Mir erscheint nun einmal das Betrachten echter Kunstwerke wie ein ernster frommer Tempeldienst, da habe ich selbst in den Vorhallen die Verkäufer nicht gern.

Fedor. Sei billig, liebe Rosa; wer die Kunst mit dem Seelenauge betrachtet, der wird auch mit Achtung und Wohlwollen auf den Fleiß der Gewerbe blicken und im ausgebreiteten Handel den lebendigen Pulsschlag des Erdenlebens erkennen; nur für den Flachen hat nichts tiefere Bedeutung, für ihn sinkt Alles zum gehaltlosen Schmuck herab. Der Vaterlandsfreund aber freut sich der vielfachen Blüthen und ihres Gedeihens.

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