Textdaten
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Autor: Carus Sterne
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Titel: Telektroskop und Photophon
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 787-789
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Anwendungen der Selenzelle
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Telektroskop und Photophon.
Die merkwürdigen Eigenschaften des Selen. – Das Selenauge von Siemens. – Adrianno de Paiva’s elektisches Teleskop. – Senlecq’s telegraphische Photographie. – Hörbare Schatten. – Bell’s Photophon und die Licht-Telegraphie. – Licht als Schallerreger.

Wer erinnerte sich nicht aus seiner Jugend noch jener Märchen, in denen ein Zauberspiegel die Hauptrolle spielt, in welchem man sehen kann, was in fernen Landen vor sich geht? Schon seit Jahresfrist schwirren in der ausländischen Presse, namentlich in den amerikanischen Journalen, Gerüchte über eine Verwirklichung dieses Märchentraums, das heißt über ein Instrument, welches für das Auge leisten soll, was das Telephon für das Ohr zur Wirklichkeit erhoben hat. Wir würden den Leser mit diesen augenblicklich in der Luft liegenden Zukunftsträumen nicht unterhalten, wenn in einer ähnlichen Richtung nicht bereits Schritte gethan wären, die überaus merkwürdige Ergebnisse geliefert haben. „Wollt ihr wissen, was für Augen es sind, womit ich sie sehe durch alle Land’?“ fragte einst Walther von der Vogelweide, und der Zukunfts-Elektriker hofft ihm antworten zu können: „es sind Augen, die man aus Selen gemacht hat“. Zunächst also einige Worte über diesen bisher fast unbenutzten, aber mit einem Male sehr hoffnungsvoll gewordenen Stoff selbst!

Im Jahre 1817 unternahmen die berühmten Chemiker Berzelius und Gottlieb Gahn eine Untersuchung der früher gebräuchlichen Fabrikationsmethode der Schwefelsäure durch Rösten von Schwefelkiesen. Sie fanden in dieser Säure einen röthlichen oder hellbraunen Bodensatz, der vor dem Löthrohre einen eigenthümlichen Geruch verbreitete, nicht unähnlich demjenigen, welcher nach Klaproth den Tellurverbindungen eigen ist. Genauere Untersuchungen ergaben, daß in diesem Niederschlage wirklich ein dem Tellur ähnliches Element vorhanden war, dem Berzelius den Namen Selen (nach der Mondgöttin Selene) beilegte, um dadurch der Verwandtschaft mit dem nach dem Erdgotte Tellus benanten Tellur Rechnung zu tragen. Mit der Zeit erkannte man, daß es dem Schwefel beinahe noch ähnlicher ist, und daß es mit diesem, dem Phosphor und anderen Elementarstoffen die Eigenthümlichkeit theilt, in verschiedenen (allotropischen) Zuständen aufzutreten, die sich durch sehr ungleiche physikalische Eigenschaften auszeichnen. Nach einigen weniger eindringenden Beobachtungen von Knox wies der deutsche Physiker Hittorf zuerst (1852) nach, daß das bei sehr langsamer Abkühlung des geschmolzenen Selens entstandene sogenannte „metallische“ Selen, welches einen matten Bleiglanz zeigt und selbst in dünnen Blättchen völlig undurchsichtig ist, die Elektricität leitet, während das schnell abgekühlte, glänzend schwarze und in dünnen Blättchen rubinroth durchscheinende, sogenannte „glasige“ Selen die Elektricität gar nicht leitet. Hittorf bemerkte ferner, daß das Sonnenlicht auf den Uebergang der einen Modification in die andere von großem Einflusse ist, und diese Beobachtung ist im Hinblick auf die neueren Entdeckungen von besonderem Interesse.

Das Selen hatte lange Zeit nur für den Fachchemiker Interesse, bis der Elektriker Willoughby Smith auf die Idee kam, Barren von metallischem Selen, wegen ihres großen Leitungswiderstandes, als Hülfsmittel bei der Legung und Prüfung der unterseeischen Telegraphenkabel anzuwenden. Der als gleichbleibend vorausgesetzte Leitungswiderstand wurde hierbei außerordentlich veränderlich gefunden, und der Assistent des Genannten entdeckte, daß dieser Widerstand geringer war, wenn der Selenbarren sich im Lichte befand, als wenn er von Dunkelheit umgeben war.

Smith theilte diese anfangs mit Unglauben aufgenommene Entdeckung im Februar der gelehrten Welt mit. Sie wurde aber bald von einer Reihe von Physikern, unter denen wir Sale, Draper, Moß, Adams, Lord Rosse, Day, Sabine und Andere nennen, bestätigt, und die fortgesetzten Versuche dieser Männer ergaben, daß es nur die sichtbaren Lichtstrahlen sind, die je nach ihrer Intensität und Schwingungsart das metallische Selen stärker oder schwächer beeinflussen und zwar derartig, daß es genau in demselben Maße die Elektricität besser leitet, in welchem die Stärke des auf dasselbe wirkenden Lichtes zunimmt.

Das Verdienst, diese Entdeckung zuerst praktisch verwendet zu haben, gebührt dem berühmten Berliner Elektriker Werner Siemens. Ihm gelang es zuerst, sogenannte Selenzellen herzustellen, in denen theils durch eingelegte Platindrähte, theils durch Verwendung von Metallen, die mit dem von ihnen umschlossenen Selen an der Berührungsfläche chemische Verbindungen bilden, der Leitungswiderstand so vermindert ist, daß diese Zellen die höchste Empfindlichkeit gegen Licht zeigen und die Elektricität im Lichte fünfzehnmal besser leiten als im Dunkeln. Wir haben den Lesern der „Gartenlaube“ schon früher (Jahrgang 1876, Seite 780) erzählt, daß Werner Siemens mittelst seiner sehr empfindlichen Selenzellen ein elektrisches Photometer zum Messen der verschiedenen Lichtstärken construirt hat, während sein Bruder Wilhelm Siemens in London sie zur Herstellung eines künstlichen Auges verwendete, welches wie ein lebendes, von zu starkem Lichte geblendet, die Lider schloß, und im Stande war, die verschiedenen Farbentöne durch mehr oder minder starke Bewegungen einer Magnetnadel zu unterscheiden.

Wir bitten den geneigten Leser die genauere Beschreibung dieses Selen-Auges an der obigen Stelle nachlesen zu wollen; denn an ein derartiges, dem thierischen Auge in seinem gesammten Bau noch genauer nachgebildetes Auge haben verschiedene Physiker [788] der Neuzeit gedacht, indem sie von der Herstellung eines elektrischen Fernschauers (Telektroskop) träumten. Das Auge der Wirbelthiere stellt bekanntlich einen der Dunkelkammer (Camera obscura), wie sie die Photographen zur Bilder-Aufnahme gebrauchen, im bilderzeugenden Theile sehr ähnlichen Apparat dar, dessen Bildfläche, die Netzhaut, mosaikartig in kleine Felder getheilt ist, von denen je eine empfindende Nervenfaser, mit den andern zu einem ziemlich dicken Strange (Sehnerv) vereinigt, zum Gehirne läuft.

Eine ähnliche Dunkelkammer, deren Bildfelder aus Selenzellen bestehen, durch welche ebenso viele getrennte elektrische Ströme gehen, soll demnach den Aufnahme-Apparat des sogenannten elektrischen Teleskopes darstellen, welches sich ein amerikanischer Ingenieur, der sich Adriano de Paiva nennt, – erträumt hat. In den zu einem Kabel vereinigten Leitungsdrähten der Selenzellen würden demnach ebenso viele elektrische Ströme circuliren, deren Stärken durch die Helligkeit und Färbung der einzelnen Bildfelder bestimmt würden; denn je stärker eine Selenzelle beleuchtet wird, um so mehr Elektricität fließt hindurch.

Es käme also nur noch darauf an, diese metallenen Nervenfäden wiederum zu einer musivischen Bildfläche ähnlicher Art auszubreiten, auf welcher dann die entsprechenden Ströme die erregenden Helligkeiten und Farbentöne wieder zu erzeugen hätten, um ein elektrisches Auge zu haben, welches in Berlin oder Leipzig die Landschaften und Vorgänge zeigen würde, auf die sich in New-York oder Australien das Aufnahme-Auge soeben gerichtet hätte. Der hinter dem obengenannten Pseudonym verborgene speculative Amerikaner

Bell’s Photophon.

hat leider auszuführen vergessen, wie er sich die genauere Einrichtung des Wiedererzeugungs-Apparates denkt. Er beabsichtigte freilich wohl weiter nichts, als sich die Priorität eines Traumes zu sichern, dessen Erfüllung ja in den Grenzen des Denkbaren und Möglichen zu liegen scheint.

Greifbarer ist schon in dieser Richtung das Project eines Franzosen, des Herrn Senlecq von Ardres, in welchem es sich einzig um die elektrische Uebermittlung des auf der matten Glasplatte einer Camera obscura entstehenden Bildes vermittelst des nur einer einfachen Leitung bedürfenden, zeichnenden Telegraphen handeln würde. Auch hier müssen wir der Kürze halber den geneigten Leser ersuchen, eventuell die genauere Beschreibung der zeichnenden Telegraphen in einem früheren Jahrgange der „Gartenlaube“ (1877, S. 49) freundlichst nachlesen zu wollen. Bei denselben läuft, wie wir kurz wiederholen wollen, eine Metallspitze in engen Parallellinien über die zu telegraphirende Linienzeichnung oder Handschrift, die mit einer besonderen Tinte auf Metallgrund gemacht ist, her und hin, als ob sie den letzteren mit einer Schraffirung bedecken sollte. Durch diesen Stift geht beständig ein elektrischer Strom, der nur durch die Tinte unterbrochen wird, wenn die Metallspitze einen Strich der Zeichnung kreuzt, in die Ferne. Die durch ein künstliches Uhrwerk in völlig gleichem Gange erhaltene Zeichenspitze des Empfangapparates zeichnet nun dieselben engen Parallellinien in einem durch den elektrischen Strom erzeugten Farbstoff auf präparirtes Papier, und nur an den Kreuzungsstellen der Zeichnung, wo der Strom ausbleibt, entsteht auf der Empfangsstation eine weiße Stelle, sodaß sich die Zeichnung hell auf farbigem Grunde daselbst wiedererzeugt. Eine ähnliche Spitze, wie die des Absenders beim zeichnenden Telegraphen, aber eine aus metallischem Selen bestehende, soll nun in Selecq’s Telektroskop das Bild der Camera obscura „abtasten“, und seinen verschiedenen Schattirungen und Farbentönen entsprechend modificirte elektrische Ströme in die Ferne senden. Die zeichnende Spitze der andern Station soll dann aus einem weichen Bleistift bestehen, der um so stärker gegen das Papier gedrückt wird, je schwächer die ankommenden Ströme sind, und umgekehrt, und somit wird dieser Stift das Bild der in der Ferne aufgestellten Dunkelkammer getreu wiedergeben. Wir wollen nur noch bemerken, daß verschiedene andere Physiker ähnliche Verkörperungen dieser, wie gesagt, in der Luft liegenden Idee ausgesonnen haben, wahrscheinlich, ohne daß eines dieser Projecte das Stadium der Ausführung erreicht hat.

Anders verhält es sich mit einer Anwendung derselben Eigenschaft des Selens, die der berühmte Erfinder der sich allseitig bewährenden Form des Telephons, Professor Alexander Graham Bell, gemacht hat, und bei der es sich sozusagen darum handelt, den Lichtstrahl zu hören. In einem vor der Londoner Royal Institution am 17. Mai 1878 gehaltenen Vortrage sprach Bell von der Möglichkeit, einen Schatten zu hören durch Unterbrechung der Wirkung des Lichtes auf Selen. Dies führte ihn auf den Versuch, die menschliche Sprache oder andere Töne mit Hülfe eines Bündels paralleler Lichtstrahlen, also ohne Vermittelung eines Drahtes, in die Ferne zu senden, woselbst sie, durch Selen in Schwankungen elektrischer Ströme übersetzt, in einem Telephone gehört werde können. Wir wollen nicht von den Schwierigkeiten erzählen, die sich ihm auf diesem Wege entgegenstellten, sondern nur darlegen, in wie einfacher oder geradezu eleganter Weise er dieses Problem im Verein mit Sumner Tainter gelöst hat.

Wie dem Leser bekannt sein wird, werden in dem Telephon nicht die elektrischen Ströme, sondern die Schwankungen derselben hörbar, und wenn man die Tonschwingungen in entsprechende Undulationen (Schwingungen) von Lichtstrahlen umwandeln könnte, die man durch eine Glaslinse parallel macht, so würde man diese Undulationen leicht in bedeutende Entfernungen senden können, um sie dort mittelst einer empfindlichen Selen-Vorrichtung zuerst in elektrische Schwankungen und diese dann im Telephon wieder in Töne zurückzuwandeln.

Nachdem die Erfinder sich zunächst durch Erhitzen von gewöhnlichem Selen bis zum beginnenden Schmelzen ein noch viel empfindlicheres „metallisches“ Selen, als man bisher kannte, bereitet und dieses in möglichst entsprechender Form zu einem „Empfänger“ verarbeitet hatten, konnte die Hauptschwierigkeit als überwunden gelten; denn die Verwandlung der Tonschwingungen in undulirende Lichtstrahlen – man gestatte der Kürze wegen diesen nicht völlig einspruchfreien Ausdruck – macht so wenig Schwierigkeiten, daß dem dazu dienenden Apparate nicht weniger als fünfzig verschiedene Formen gegeben werden konnten, die alle mehr oder weniger vollkommene Ergebnisse lieferten. Wir wollen indessen hier nur die bewährteste und einfachste Form dieser Vorrichtung, welcher ihre Erfinder den Name Photophon (Lichtsprecher) beigelegt haben, kurz beschreiben. Dieselbe besteht aus einem ebenen Spiegel (B) von elastisch biegsamem Stoff (am besten aus versilbertem Glimmer), auf dessen Rückseite mittelst eines kleinen Schalltrichters die Stimme des Sprechenden gerichtet wird. Das auf den Spiegel durch eine Glaslinse (A) concentrirte Sonnen- oder Lampenlicht wird dadurch in Schwingungen zurückgeworfen, die denen des Spiegels entsprechen. Auf der Empfangsstation, die bei Anwendung von elektrischem oder Sonnenlicht, wenn die Strahlen durch eine zweite Linse (C) wieder parallel gemacht worden sind, sehr weit entfernt sein kann, werden die Strahlen von einem parabolischen Hohlspiegel (E) aufgenommen, in dessen Brennpunkt sich die lichtempfindliche Selen-Vorrichtung (D) befindet, die mit dem Localstrom einer Batterie (F) und einem Telephon (G) verbunden ist. (Siehe die Figur.)

Mit diesem Apparate sind eine große Anzahl von Versuchen angestellt worden, die ergaben, daß das gesprochene Wort und andere Töne auf das Getreueste in Lichtschwankungen verwandelt werden konnten, welche dieselben nach Entfernungen trugen, in denen das gesprochene Wort selbst nicht mehr gehört werden [789] konnte. Bei einem der ersten dieser Versuche befand sich Tainter mit dem Absende-Instrument auf dem Thurme der Franklin-Schule zu Washington, während Professor Bell den empfindlichen Empfänger in einem 213 Meter entfernten Fenster seines Laboratoriums aufgestellt hatte. Als Professor Bell das Telephon an’s Ohr hielt, vernahm er deutlich von dem beleuchteten Empfänger die Worte. „Herr Bell, wenn Sie hören, was ich sage, kommen Sie an’s Fenster und schwenken Sie den Hut!“

Es ist kein Zweifel, daß man durch den Lichtsprecher auch auf bedeutendere Entfernungen mündlich mit einander wird verkehren können, während also keinerlei Leitung zwischen den beiden Punkten erforderlich ist. Dieser Verständigungsweg kann aber für Zwecke des Krieges und der Schifffahrt sehr wichtig werden, für welche schon bisher die Lichttelegraphie die einzige Zuflucht blieb und auch in den neueren Kriegen vielfach verwendet worden ist. Wir haben in einem früheren Artikel der „Gartenlaube“ (1876, Seite 196) die Schwierigkeiten, mit denen die Lichttelegraphie zu kämpfen hat, ausführlich dargelegt, und man erinnert sich vielleicht noch, daß die beste Methode darauf hinauslief, durch längere oder kürzere Lichtblitze die aus Strichen und Punkten bestehenden Zeichen des Morse-Alphabets nachzuahmen. Natürlich ist diese Methode ebenso umständlich wie zeitraubend, den Leistungen des Photophons gegenüber, bei welchen man das gesprochene Wort unmittelbar vernimmt, und es dürfte in Zukunft nicht mehr so leicht gelingen, die in einer größeren Festung eingeschlossenen Truppentheile von einer Verständigung mit der zum Entsatze heranrückenden Armee abzuhalten.

Es wird schwerlich ein Instrument geben, durch welches die Uebertragungsfähigkeit der Naturkräfte in einander wirksamer vor Augen geführt werden könnte, als durch das Photophon. Tonschwingungen werden in Lichtwogen, diese in Schwankungen elektrischer Ströme, diese in magnetische Schwingungen und letztere endlich wieder in Tonschwingungen verwandelt, sodaß der Cyklus beinahe aller uns bekannten physikalischen Kräfte dabei durchlaufen wird. Natürlich darf man dies nicht so verstehen, als ob die Tonschwingungen in Lichtätherschwingungen etc. verwandelt worden wären. Der Rhythmus der in den verschiedensten Weisen wiederholten Schwingungen blieb immer derselbe; es war leuchtendes, elektrisches und magnetisches Tönen, nichts Anderes. Die Tonschwingung wird durch strahlendes Licht wiedergegeben und ließ sich im Verfolg dieser Versuche dem strahlenden Lichte auch ohne hörbare Einflüsse auf Spiegel oder Lichtspalten aufprägen. In der Akustik gebraucht man zur Darstellung der Schwingungszahlen eine Scheibe, die am Rande mit gleichmäßig vertheilten Oeffnungen versehen ist. Bläst man durch diese Löcher, während die Scheibe schnell gedreht wird, so entsteht ein lauter Ton, dessen Höhe von der Zahl der Oeffnungen abhängt, die in der Secunde vor dem Blasrohre vorübergehen. Dreht man das Rad dieser sogenannten Sirene doppelt so schnell wie vorher, so entsteht die Octave des vorherigen Tones.

Bell und Tainter kamen nun auf die Idee, an Stelle der Luft Licht durch die Oeffnungen der Sirene strömen zu lassen, und die so erzeugten regelmäßigen Lichtblitze brachten durch Vermittelung der Selenzelle im Telephon musikalische Klänge hervor. obwohl der Absender ein vollkommen stummer Apparat war. Ein einfaches Kerzenlicht genügte, um auf diese Weise musikalische Klänge von abwechselnder Höhe im Telephon hervorzurufen, und bei Anwendung energischerer Lichtquellen würde man leicht musikalische Signale durch Vermittelung des Lichtes in bedeutende Entfernungen senden, und durch abwechselnde Abblendungen des Lichtes auch das Morse-Alphabet ebenso in Töne umsetzen können, wie man es mit Signalpfeifen im Nebel versucht hat.

Diese Methode bot für genauere Untersuchungen die große Bequemlichkeit, daß man den Empfangsapparat mit den stummen und deshalb die Beobachtung gar nicht störenden Absender in demselben Raume aufstellen konnte. Bell bediente sich deshalb der Lichtsirene zu ferneren Versuchen, bei denen es ihm namentlich darauf ankam, zu ermitteln, welche Antheile des strahlenden Lichtes die Hauptwirkung auf das Selen übten, und ob auch die Wärmestrahlen dabei betheiligt seien. Er ließ zu diesem Zwecke das intermittirende Licht durch verschiedene Substanzen fallen und beobachtete dabei die auffallende Thatsache, daß selbst einzelne ganz undurchsichtige Substanzen, wie z. B. ein Blatt Hartgummi, die Wirkung auf die Selenzelle nicht völlig unterbrachen. Obwohl die Selenzelle mit dem Telephon sich ungefähr zwölf Fuß von der Hartgummischeibe befand, so wurde sie dennoch von unsichtbaren Strahlen erreicht, die durch die Hartgummischeibe hindurch gingen, und im Telephon wurde der vorige musikalische Ton, wenn auch geschwächt, weiter vernommen und erst unterbrochen, wenn man ein neues Hinderniß, z. B. die Hand, in den Weg der unsichtbaren Strahlen hielt. Bei weiterer Verfolgung dieser Versuche gelangten die Experimentatoren dazu, an der Hartgummiplatte selbst zu horchen, und es zeigte sich, daß dieselbe einen den Bewegungen der Lichtsirene entsprechenden lauten musikalischen Ton von sich gab, der namentlich deutlich wurde, wenn man die Platte durch ein Hörrohr behorchte. So wurde also diese Platte durch die in regelmäßiger Folge auf dieselbe treffenden Lichstöße in hörbare Schwingungen versetzt, und es ergab sich, daß die meisten Substanzen zu tönen beginnen, wenn sie in Form dünnner Scheiben einem schnell und häufig unterbrochenen Lichtstrahle ausgesetzt werden. Damit ist eine ganze Folge höchst merkwürdiger Erscheinungen entdeckt, die alle auf der Wirkung kleiner, aber unablässig wiederholter Anstöße beruhen und von denen wir nicht wissen können, zu welchen neuen Entdeckungen sie uns führen werden. Diejenigen unserer Leser, die noch näher in das neuerschlossene Forschungsgebiet einzudringen wünschen, verweisen wir auf den soeben auch in deutscher Sprache erschienenen Vortrag,[1] in welchem Professor Bell zuerst über seine merkwürdigen Beobachtungen Bericht erstattet hat und dem wir eine Anzahl der hier mitgetheilten Thatsachen, sowie die Abbildung, entnommen haben.

Carus Sterne.



  1. „Das Photophon“. Vortrag, gehalten in der neunundzwanzigsten Jahresversammlung der amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften zu Boston im August 1880 von Alexander Graham Bell. Aus dem Englischen. Leipzig. Quandt und Händel, 1880.