Sponsel Grünes Gewölbe Band 4/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den 4. Band des Tafelwerkes – Arbeiten aus Metall

Arbeiten aus Perlmutter Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 4 (1932) von Jean Louis Sponsel
Arbeiten aus Metall
Bildwerke aus Holz und Stein
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ARBEITEN AUS METALL

Zeigt das Perlmutterrelief den Gründer des neuen Grünen Gewölbes im jugendlichen Mannesalter, erblicken wir ihn in Wiedemanns Reiterstandbild auf dem Neustädter Markt wie in dem Bozzetto des Albertinums an der Schwelle des Greisenalters, so dürfen wir in dem römischen Imperator des Salondenkmals (Tafel 62 und 63) den reifen Mann zwischen 40 und 50 bewundern. Noch schwankt die Meinung über den Meister des Werkes zwischen den größten Namen, die wir aus der Entwicklung der monumentalen Plastik im Zeitalter Ludwigs XIV. kennen. Das seit mehr als einem Jahrhundert bekannte Motiv der gefesselten Sklaven, Verkörperungen der unterjochten Länder, am Sockel, von Pietro Tacca, Desjardin und Schlüter mit wechselndem Gelingen abgewandelt, begegnet auch auf einer Zeichnung (Dresden, Kupferstichkabinett), die als Entwurf für ein Reiterdenkmal des Königs auf kurbettierendem Pferd angesehen werden muß. Mit dem nicht gegossenen, sondern in Kupfer getriebenen Denkmal, das ein [32] Jahr nach dem Tode des Königs vollendet war, hat dieser Entwurf aber ebensowenig zu tun wie mit der Statuette des Grünen Gewölbes. Der Aufbau des Werkes, das der Architekt und Einkäufer Augusts Raymond le Plat in Paris herstellen ließ und das, 1716 eingeliefert, erst nach jahrzehntelanger Irrfahrt in das Grüne Gewölbe gelangte, entspricht bis in Einzelheiten dem Bronzemonument des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern im Nationalmuseum zu München. Hier wie dort erheben sich auf einem Sockel vier Doppelschnecken, bekrönt von Bronzehelmen, hängen lambrequinartige Bronzetafeln, mit Darstellungen bez. Inschriften, an den Längsseiten über das Gesims herab. In München baut sich dann ein neues, wiederum mit Reliefs geziertes, architektonisch vereinfachtes Postament auf der Platte auf, das die Gruppe des Kurfürsten auf galoppierendem Roß trägt, wie er von der fliegenden Viktoria begleitet, über die gefallenen Feinde einhersprengt. Dieses Denkmal trägt auch den Namen des Künstlers: Guillaume de Grof 1714, den wir in der Kunstgeschichte vergeblich suchen. Die Verwandtschaft mit dem Dresdner Denkmal war noch deutlicher, als die Erdkugel, die das Inventar von 1819 als Dekoration der Spiegelplatte zwischen den Pfeilern erwähnt, noch erhalten war.

Die Beschreibung, die der Baumeister Longuelune von dem Tonmodell macht, das für ein gewaltiges Reiterdenkmal des ruhmgekrönten Fürsten bestimmt war, geht in ihrem vielgestaltigen Apparat von Medaillons, Palmen- und Lorbeerzweigen, von Attributen, Harnischen, Degen, Schilden bei den Sklaven, Cartouchen mit Kronen, Guirlanden, Palmen und anderen Symbolen des Sieges noch weit über den Reichtum dekorativer und figürlicher Elemente hinaus, der sich in dem kleinen Denkmal zu einer, nach allen Seiten wohl abgewogenen künstlerischen Gesamtkomposition vereint. Bei den Reiterstandbildern des 18. Jahrhunderts ist die stolze Kurve des im Galoppsprung aufbäumenden Rosses, dem Formempfinden des Barock so vertraut, durch die Kunst der Gießer auf sich selbst beschränkt. Der triumphierende Held sprengt majestätisch als einzelne Erscheinung über die ideale Ebene der Bewunderung. Als der Kammer-Beinstecher Matthias Steinle zu Wien die Habsburger Kaiser Leopold I. und seine Söhne Josef I. und Karl VI. im Jahre 1693 als Reiterfiguren in Elfenbein zu schnitzen unternahm, bemühte er sich, das Motiv des kurbettierenden Pferdes nicht nur konstruktiv, sondern auch historisch zu stützen. So liegt unter dem Roß des Kaisers ein türkischer Krieger, unter dem des ältesten Erzherzogs eine schlangenumwundene Gestalt, der Dämon der Zwietracht. Nur [33] der jüngste der Dargestellten, damals kaum acht Jahre alt, hatte noch keine kriegerischen oder politischen Heldentaten aufzuweisen. So bäumt sich sein Pony nicht über einen besiegten Feind, sondern vor der knieenden Hispania, die dem Knaben Krone und Szepter auf einem Kissen darbietet. Heldischer Kampf gegen die Mächte der Unterwelt, ob sie nun von Osten drohten oder sich im eigenen Lande gegen die gottgewollte Herrschaft erhoben – diese Idee liegt auch den meisten Reiterdarstellungen des 17. Jahrhunderts zu Grunde. Wobei die körperliche Erscheinung der Gegner, soweit sie nicht von den Hufen des Pferdes zerschmettert, vom Helden durch die blanke Waffe vernichtet wird, oft noch am Sockel, aus Fesseln sich aufbäumend, ihr unheilvolles Wesen treibt.


Der Heilige Georg als Drachentöter ist der Stammvater aller christlichen Fürsten, die hoch zu Roß gegen den Drachen der Auflehnung streiten. Und das mit besonderem Nachdruck, wo der Befreier der schönen Prinzessin, den die Antike und die Mythologie der Renaissance als Perseus, den Beschützer der Andromeda, erlebte, zugleich der Schutzherr von Land und Volk war. Als der Schlesier Gottfried Leygebe, im Schnitte eiserner Degengefäße, Beschläge, Zieraten wohl geübt, sich daran wagte, eine ganze Freifigur aus dem geschmiedeten Block zu schneiden, saß in England Karl II. auf dem Throne der Stuarts. Die Revolution lag am Boden: am 29. Mai 1660 war der legitime Herrscher wieder in seine Hauptstadt eingezogen. Das Hauptwerk des Nürnberger Meisters, das einzige, dem der Chronist Sandrart die Ehre einer ausführlichen Beschreibung gönnt, wurde so zu einer Huldigung für den rechtmäßigen Herrn der britischen Insel. Die Subtilität der Arbeit „daß einer, der des Pferdes Haut und Haare anrührte, nichts rauhes, sondern nur lauter Lindheit gespühret, und konte man die Adern wol ausnehmen, auch Sattel und Zeug nicht, noch des Pferdes Stellung verbessern“, ist bewundernswerter als der Aufbau der Gruppe. Ohne sichtbare Erregung erhebt der Held, trotz seiner dreißig Jahre ein müder Mann mit ältlichen Zügen, sein breites Krummschwert gegen das siebenköpfige Untier. Zu dem Harnische des römischen Feldherrn will die ungefüge Waffe wenig passen. Der Naturalismus der Durchbildung verzichtet aber nicht auf die höhere Sinngebung der Symbolik. So prangen am Brustriemen wie am Gebiß des Pferdes die Lilien Frankreichs, des Landes, wo der Knabe erzogen worden war und das den Vertriebenen zuerst freundlich aufgenommen hatte. Deutlicher aber wird die Sprache, wo es sich um den Lord-Protektor, den Führer der Revolution handelt. Der Kopf Cromwells, als Unrat [34] des Drachen: ein Witz von geradezu genialem Cynismus, der dem Humor des nürnbergischen Handwerkers alle Ehre macht.

Es ist nicht unmöglich, daß der Ruhm dieser Arbeit ihrem Meister den Weg nach Berlin eröffnet hat. Am 6. April wird er von Friedrich Wilhelm I. als kurfürstlicher Münzschneider, Modelleur und Hofbildhauer in Dienst genommen. Es vergingen aber zehn Jahre – das Bildwerk war inzwischen in der Dresdner Schatzkammer gelandet – ehe der Meister, durch vielerlei Arbeit, besonders für die Münze stark in Anspruch genommen, seinem hohen Herrn eine Darstellung vom Umfange der Georgsgruppe Karls II. widmete. Die Erinnerung an die englische Aufgabe spukt in der Darstellung noch durch die Georgsmedaille, die der Fürst an der rechten Hüfte trägt, und die Devise des Hosenbandordens auf dem Säbel. Der Held schwingt einen kurzen Speer, ein antikischer Helm schützt das Haupt. Das Pferd erhebt sich nicht in wohltrainierter Kurbette, sondern sprengt in vollem Laufe über den dreiköpfigen Drachen hinweg. Wenn auch die Inschrift: „Gottfried Leygebe 1680“ den Meister verkündet, spürt man in der flaueren und trockeneren Komposition doch das Nachlassen der künstlerischen Kraft. Drei Jahre hat Leygebe den zentnerschweren Block, den ihm die Eisenhütte Claustal geliefert hatte, unter der Hand gehabt: „Nachdem ich das Stück Eysen mit S. D. Bildnis Pferde verfertiget, welches ich nicht for 2000 Rthler schaffen und nunmehr keines machen kan ... das ich dabey meine Gesundheit (mit Antrücken des Leibes) verloren“, klagt der Meister.

Man hat seinen Stil in zwei flachgeschnittenen Gruppen erkennen wollen, die mythologische Szenen in Bernstein darstellen: der Sieg des Perseus über Polydektes und seinen Anhang und das Parisurteil, beide im Deutschen Museum, Berlin (Bange a. a. O. Nr. 858 u. 859, S. 105/106). Wenn Leygebe auch die Kunst des Bernsteinschneidens gepflegt hat, so kann das kaum zu einer andern Zeit geschehen sein als nach seiner Übersiedlung nach Berlin, wo der große Kurfürst besonders für Geschenke an den russischen Hof, das Bernstein bevorzugte. Das Parisurteil kam 1690 in die kurfürstliche Kunstkammer: es zeigt die gleiche Hand wie eine Gruppe der drei Grazien im Grünen Gewölbe (III. 64), die 1725 schon im Pretiosensaal vorhanden ist. Sowohl was die Komposition der Gruppe anlangt, die der Szene einen Rahmen von Wald und Fels gibt, als auch in den Proportionen der Figuren, der Behandlung von Haar und Gewand, Einfügung der Putten, besonders deutlich in dem schwebenden Liebesgott oben links, der leider bei der Dresdner Gruppe stark beschädigt ist, schließlich auch in den [35] Ausmaßen ist die gleiche Herkunft offenbar. Der Stil von Elfenbeinschnitzereien, wie wir ihn bei Leonhard Kern finden, der ja noch zu Lebzeiten Leygebes in Nürnberg tätig war, mag, wenn anders der Eisenschneider sich hier dem empfindlicheren Werkstoff des Nordens angepaßt hat, auch in derartigen Arbeiten nachklingen.

In der Vase, die Joh. Melchior Dinglinger geschnitten haben soll (Tafel 61), erlebt die Kunst des Eisenschnittes im 18. Jahrhundert kurze Auferstehung. Die Zuweisung an den Meister beruht auf keiner literarischen Quelle, sie stützt sich lediglich auf die stilistische Verwandtschaft des Stückes mit den beiden Vasen aus Pappenheimer Schiefer, die durch den Stil und die Technik ihrer Montierung als Schöpfungen aus der späteren Periode Dinglingers anerkannt werden müssen (Tafel 38). Wie diese muß auch die Eisenvase nicht aus der handwerklichen Tradition des Eisenschnittes, sondern aus dem Verhältnis ihres Verfertigers zu den architektonischen Bauelementen der Antike künstlerisch beurteilt werden. Sie ist die Paraphrase eines steinernen Schmuckbildwerks in Eisen. In die flachen, aber mit äußerster Präzision geschnittenen Reliefbänder sind gegossene Medaillons eingefügt. Die Herme des Satyrs, die den geschweiften Sockel ziert, kehrt, als rundplastische Nischenfüllung, in einer der steinernen Vasen wieder. Auch hier die Verkörperungen antiker Naturfröhlichkeit: bacchische Gruppen, Nymphen, Faune und Kinder, um die Herme des Pan geschart; dann die schlangenförmigen Henkel, schließlich der Namenszug AR des königlichen Besitzers. Die für den dekorativen Stil der Spätwerke Dinglingers so charakteristischen Lambrequins mit himmelblauem Schmelz, die mit ihren dreizackigen Lappen sich von dem Körper des Gegenstandes loslösen und die betonten Vorsprünge verbinden, bringen die Vasen in unmittelbare Beziehung zu dem großen Kabinettstück mit dem Triumphzuge des Bacchus. Dies ist 1728 datiert, gehört also, wie der Apistempel, der die Jahreszahl 1729 trägt, der letzten Schaffensperiode des Meisters an, als er schon die Mitarbeit von Hübner und Döring für die großen Aufträge heranzog.

In dieser Zeit entstand auch das ovale Mosaik, das August den Starken nach einem Gemälde von Louis Silvestre im Panzer und Hermelin zeigt (Tafel 39). Der Kopf ist der des willensstarken, aber schon von Alter und Krankheit heimgesuchten Mannes; die hochgetürmte Perücke mit dem tiefeingeschnittenen Scheitel entspricht der auf dem Doppelbildnis mit König Friedrich Wilhelm I. [36] von Preußen in der Gemäldegalerie, das der Maler 1730 selbst geliefert hatte. Der Harnisch dagegen, Mantel und Orden kehren auf dem Bildnis wieder, das aus dem Brühlschen Palais nach dessen Abbruch 1892 in die Französische Galerie des Residenzschlosses überführt worden ist. Der fast sechzigjährige Monarch hatte Silvestre im Jahre 1727 zum Oberhofmaler und Direktor der Akademie ernannt. In diesen Jahren muß das Porträt entstanden sein, das dem Mosaik, zweifellos einer römischen Arbeit, als Vorbild gedient hat. Daß es mit dem geweihten Hut und Schwert sowie mit dem Marmorkreuz samt den Pyramiden, Geschenken des Papstes Benedikt XIII. aus dem Hause Orsini an den Kurprinzen, 1725 mit aus der Stadt hierher gekommen ist, deren Mosaikkunst den Mittelpunkt der noch immer auf der Höhe ihres Ruhmes stehenden Kunst der musivischen Malerei in Italien bildete, ist durchaus wahrscheinlich. Wird doch das Brustbild des Apostels Petrus, überlebensgroß, dessen Bronzerahmen mit dem Wappen des Vorgängers Benedikts, des Papstes Clemens XI. Albani gekrönt ist, ausdrücklich gleichfalls als ein Geschenk des Orsini an August den Starken bezeichnet. Es stellt einen Ausschnitt aus einem monumentalen Mosaik in der Peterskirche, wohl nach einem Entwurf von Giov. Lanfranco, dar. Zwei verwandte Apostelköpfe, Mosaikbilder ohne Rahmen, sind schon unter Johann Georg II. 1661 in die Kunstkammer gekommen.