Textdaten
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Autor:
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Titel: Sitzen geblieben
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 84
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[81]

Sitzen geblieben.
Nach dem Oelgemälde von Max Koner.

[84] Sitzen geblieben. (Mit Illustration S. 81.) Warum sie wohl „sitzen geblieben“ ist? Sie ist doch eigentlich ganz nett … nicht?

Ja, wer konnte das auch ahnen? Sonst war sie immer Ballkönigin gewesen; sie hatte bisher die Auswahl unter Dutzenden von Tänzern gehabt, und das war auch leicht erklärlich, denn Adele war „schön“! Sie hatte den kleinsten Mund und die größten Augen von allen jungen Mädchen der ganzen Stadt, und sämmtliche Lieutenants der Garnison schwuren „auf Ehre“, daß dieser kleine Mund „süß“ und diese großen Augen „seelenvoll“ seien. Das Civil stimmte damit ganz überein. Schwüre ewiger Treue, süß duftende Blumensträuße, Heirathsanträge und Liebesbriefe fielen Adele nur so in den Schoß; sie brauchte keinen Finger darum zu regen – das machte sie übermüthig. Was man gar so leichten Kaufes erlangen kann, das pflegt man gering zu achten. Adele begann, die Männer, die ihr scharenweis zu Füßen lagen, zu maltraitiren, zu quälen und in der raffinirtesten Weise zu „narren“. Endlich aber war das Maß ihrer Sünden voll. Sie hatte den schneidigsten Officier des Regimentes so beleidigt, daß dieser sich erbleichend vor ihr verneigte, die Hacken zusammenschlug, daß die Sporen klirrten, und von ihr ging, um nie wiederzukehren. Sie hatte dem gesammten Civil ins Gesicht geschlagen, indem sie auf Kosten eines geistvollen Journalisten, des allgemeinen Lieblings männlicher und weiblicher Kreise, einen boshaften Witz gemacht – das forderte Rache.

Im Kasino wurde ein böser Plan geschmiedet und auf dem nächsten Kasinoballe ausgeführt – man ließ Adele sitzen. Man ging immer direkt auf sie zu und wandte sich erst in ihrer nächsten Nähe rechts oder links, engagirte immer gerade die Damen, die Adele zur Seite saßen. Es war unerhört – neu – noch nicht dagewesen. Sie war anfangs sprachlos. Endlich setzte sich ein unbesoldeter Referendar an ihre Seite, um sie zu unterhalten. Sie hatte ihn früher nie beachtet und begriff das heute nicht. Sie fand ihn heute wirklich recht nett. Wie doch ein Mann in der Stunde der Gefahr und in Zeiten der Noth an Werth steigen kann! Adele war ganz entschieden liebenswürdiger gegen ihn, als sonst gegen alle ihre Anbeter zusammen. Da – als der Tanz begann – stand er auf und verabschiedete sich. Er hatte für diesen Tanz schon eine Tanzkarte beschrieben und konnte wirklich nicht anders. Da saß nun die einstige Ballkönigin. Ihr kleiner Mund preßte sich fest zusammen, und ihre großen Augen vergrößerten sich noch, um die Thränen zu unterdrücken, die darin aufsteigen wollten und doch nicht sollten. O diese Männer! Ein Narr, wer auf ihre Schwüre baut! Der abscheulichste unter ihnen war ein Maler, der die arme Adele in dieser ihrer unwürdigen Lage auch noch verewigt hat.