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erfreulichster Harmonie zu Tage, und bald wurde der Künstler so beliebt und gesucht, daß er sich mit Arbeiten überhäuft sah. Alles gelang ihm, man sah in ihm den physiognomischen Scharfblick eines Lavater, den satyrischen Geist eines Hogarth und die idyllische familienfriedliche Richtung eines Geßner auf das glücklichste vereinigt. Seine Blätter wurden gesucht, bewundert und gut bezahlt, und erreichten eine höchst bedeutende Zahl, über 3000. Die großen Blätter, noch immer Zierden manches Zimmers, wie z. B. Calas Abschied, Ziethen vor seinem Könige, Friedrich II. Heerschau, gefangene Russen, Tod Herzog Leopold’s von Braunschweig u. a. beurkundeten des Künstlers Fleiß und Begabung; dennoch erscheint er noch größer in den kleineren Blättern, wo er sich als vollendeten Charakteristiker, als treuesten Seelenmaler kundgab, und gleichsam eine neue Kunstgattung schuf, welche man die psychologische Illustration nennen könnte. Humor und Laune, Ernst und Strenge, Wahrheit und Sittlichkeit sind in Chodowiecki’s oft äußerst feinen und niedlichen Küpferchen ausgeprägt; sie waren treue Spiegel seiner Zeit, durch und durch neuzeitlich. Alte Vorbilder hatte der Künstler nie gehabt, wohl kaum gesehen, es war für sie auch just zu seiner Zeit fast aller Sinn erstorben, daher erinnert durchaus nichts in Chodowiecki’s Bildblättern an die alten herrlichen Kleinmeister, als vielleicht die fertige Technik, die feine Führung der Nadel; er war ganz Original.

Fort und fort thätig illustrirte der Künstler meist mit zusammenhängenden Folgen zahlreiche Taschenbücher, illustrirte die Werke oder Dichtungen Basedow’s, Lavater’s, Meißner’s, Voltaire’s, Gotter’s, Bürger’s, Gellert’s, Müller’s, Veit Weber’s, Langbein’s, gab Folgen aus Don Quichote, Minna von Barnhelm, Sebaldus Nothanker, zum Landprediger von Wakefield, aus Schiller’s Räubern, aus Voß’s Luise, schuf Portraits, physiognomische Studien, einen Todtentanz u. s. w. und half durch seine verklärende Meisterhand gar manchem an sich dürftigen Buche zu vermehrtem Absatz und neuen Auflagen. Dabei schmückte den Künstler ein sittenreiner, fleckenloser Charakter, Edelmuth und Wohlthätigkeitssinn, wahre Bescheidenheit und eine glückliche Heiterkeit. Einige Reisen bereicherten ihn mit lieben Freundschaften und Erweiterungen seiner Kenntnisse. Er war glücklich verheirathet und hatte die Freude, in seinem Sohne Wilhelm einen ihm würdig nachstrebenden Kunstgenossen sich heranzubilden, der ihm die Last der Arbeitaufträge, mit denen er überbürdet wurde, erleichterte, wodurch freilich manches Blatt mit Chodowiecki’s Namen in die Sammlungen kam, auf dessen Darstellung der Sohn vom Vater zeugt; Wilhelm überlebte aber den Vater nur drei Jahre. Chodowiecki war viele Jahre hindurch Vicedirektor der Akademie der bildenden Künste zu Berlin, und trat nach Rode’s Tode 1798 als wirklicher Direktor an deren Spitze. Daher auch des Künstlers patriotische Richtung; er schuf mit Vorliebe Blätter zum Ruhme des preußischen Königshauses, Bildnisse der königlichen Familie; sein Griffel verewigte geschichtliche Ereignisse des Vaterlandes, und so blieb er thätig und nimmermüde, unterstützt durch Gesundheit, Kraft und heitern Sinn, bis die Natur endlich auch von ihm den Tribut heischte, dem alles Leben verfallen ist. Er starb im 75. Lebensjahre. Viele strebten ihm nach, keiner erreichte ihn, zum mindesten gelang keinem mit so viel Ausdauer, Glück und Unerschöpflichkeit künstlerisch fort zu wirken, wie es ihm vergönnt gewesen war. Vollständige Sammlungen aller Blätter Chodowiecki’s sind sehr selten, und werden als wahrhafte Kunstschätze betrachtet und gewürdigt.