Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/215

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Ewald Christian von Kleist.
Geb. d. 3. Mai 1715, gest. d. 24. Aug. 1759.


Der Sänger des »Frühlings« χατ' έξοχήν vor den tausend und aber tausend Frühlingssängern im ewiggrünenden deutschen Dichterwald, aber keiner von den minnegirrenden Girrlitzpoeten, die über den Frühling nie hinauskommen, und deren lyrische Blüthen niemals zur Frucht einer Mannesthat reifen, sondern ein vom Schicksal geprüfter und geschulter Dichter, der einen ehrenvollen Tod starb und den Kranz des Nachruhms verdiente, welcher ihm zu Theil wurde.

Kleist wurde auf dem Rittergute Zeblin bei Köslin in Pommern geboren, und erhielt seinen ersten Unterricht durch Hauslehrer. Später sandte ihn sein Vater auf die Jesuiten-Schule zu Cron in Groß-Polen, und im 14. Jahre besuchte Ewald das Gymnasium zu Danzig. Im Jahre 1731 bezog er im Geleit und unter der Aufsicht eines älteren Bruders die Universität Königsberg, um sich daselbst dem Rechtsstudium zu widmen. Indeß zog ihn die Trockenheit des Jus nicht so mächtig an, daß er nicht auch Geschmack an andern Wissenschaften gefunden hätte, welche er mit Liebe sich anzueignen strebte; Philosophie und Sprachen, Mathematik und Physik beschäftigten seinen Fleiß und gaben seinem strebsamen Geiste die Weihe höherer Bildung. Der Bruder, selbst äußerst praktisch, drängte zum praktischen hin, hielt die Beschäftigung mit alten Sprachen und zumal mit Poesie für Ueberflüssigkeiten, die ein Junker keineswegs bedürfe, und sah seine Vorausahnungen auch insofern gerechtfertigt, als für Ewald der heilende Bethesdateich sicherer Anstellung sich nicht aufthun wollte, was das heitere Gemüth des jungen Dichters allerdings trübte und verstimmte. Indessen wer mit 21 Jahren verzagen wollte, wäre ein Thor; Kleist ging nach Dänemark zu Verwandten, und hoffte sich dort besser gefördert zu sehen, als in der Heimath. Aber auch dort bot sich keine Anstellung im Civilfache, nur der Soldatenrock konnte durch den Einfluß zweier Oheime, des Generallieutenant von Staffeld und des General von Folkersahm, den jungen Mann fördern, und so zog er ihn willig an, und ward 1736 dänischer Offizier, was er vier Jahre mit Pflichttreue und Diensteifer blieb, und dabei die Kriegswissenschaften eifrig studirte, ohne der Poesie treulos zu werden. Der