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Christian Garve.
Geb. d. 7. Jan. 1742, gest. d. 1. Dez. 1798.


Moralphilosoph und klarer Denker, Gellert’s Nachfolger, der auch wie dieser durch ein von Siechthum getrübtes Leben wandelte, mild wie dieser war und sich ehrenvollen Nachruhm errang.

Garve wurde zu Breslau geboren; der Vater war Kunst- und Schönfärber und starb ihm früh, aber eine treffliche Mutter leitete sorglich die Erziehung ihres Knaben, obschon sie sich in der Wahl der Mittel vergriff und ihn z. B. einer öffentlichen Schule nicht anvertrauen wollte, und doch reichte die Bildung der gewählten Hauslehrer (deren Schlag zu damaliger Zeit Rabener’s Satyren genügend schildern) nicht aus; Garve mußte vieles versäumte später audodidactisch erwerben und nachholen. Dabei bestimmte ihn die fromme Mutter dem theologischen Studium, das er im 21. Jahre seines Alters zu Frankfurt a. O. begann, wo er Baumgarten und Zöllner hörte. Der Tod des erstern aber veranlaßte den jungen Garve, sich nach Halle zu wenden, wo er Semler’s Schüler wurde. Es stellte sich indeß nur zu bald heraus, daß der schwächliche Körper des jungen Theologen ihm geradezu, wie es bei Gellert der Fall war, den künftigen Beruf als Prediger verbiete, und so wandte er sich zu den Sprachen und zur Mathematik und erlangte 1766 die philosophische Magisterwürde. Gellert’s Ruf und Liebenswürdigkeit lockten Garve nach Leipzig; die Mutter schrieb selbst an Gellert und erwirkte, daß dieser bei sich selbst den geliebten Sohn aufnehme, was auch geschah, und es bildete sich aus diesem Verhältniß des Zusammenlebens des jungen Hausgenossen und Schülers mit dem ehrwürdigen Meister und Lehrer Garve’s ganze Zukunft heraus. Liebevolle Pflege, herzliche Ansprache, freundliche Aufmunterung wurde Garve im vollen Maaße zu Theil, Gellert’s edler Freundeskreis wirkte nicht minder belebend und fördernd auf ihn, und so lebte sich der junge Gelehrte so innig in das Professorenleben Leipzigs ein, daß nichts näher liegen konnte, als der Wunsch, ebenfalls bei der Hochschule wirksam zu werden. Aber noch sollte dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen, denn die Sehnsucht der Mutter Garve’s, welcher eine geliebte Pflegetochter starb, verlangte nach dem Sohne, und es