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August Hermann Francke.
Geb. d. 23. März 1663, gest. d. 8. Juni 1727.


August Hermann Francke war einer der auserwählten Menschen, die gleich guten Engeln über die Erde schreiten, nachhaltige Segensspuren ihres reinen und gottgeliebten Wandels hinterlassen, und deren Gedächtniß nimmer erlischt und untergeht. Lübeck war Francke’s Vaterstadt, doch folgte er schon in zarter Jugend dem Vater nach Gotha, wohin dieser als Justizrath berufen wurde. Das Gothaische Gymnasium, das einer bedeutenden Anzahl berühmter deutscher Männer die Grundlagen zu wissenschaftlicher Ausbildung und zu ausgezeichneten Lebenswegen verlieh, bildete auch diesen Zögling trefflich aus. Von Gotha begab sich der Jüngling nach der nahen Hochschule Erfurt, wo er Theologie zu studiren begann, welches Studium er in Kiel fortsetzte und in Leipzig beschloß. Dort begann Francke 1681 exegetische Vorlesungen, welche sich bald ungemeinen Beifalles erfreuten, zugleich aber auch Gegner fanden. Er begründete mit Spener das Collegium philobiblicum und nahm 1685 die theologische Magisterwürde an. Als Freund und Anhänger des ungleich älteren Spener führte Francke’s ganzes innerliches Gemüthsleben ihn zu der frommen Richtung religiöser Anschauung hin, welche von den Gegnern Pietismus genannt, und da, wo diese Richtung zu einem stolzen Gefühl des eigenen Werthes durch Frömmigkeit und zur geistlichen Ueberhebung über die sogenannten Weltkinder wird – mit Recht verschrieen wurde. Spener’s junge Anhänger, von denen Francke der bedeutendste war, setzten dem kalten und starren protestantischen Dogma eine johanneische Milde und eine christliche Sanftmuth entgegen, worüber es zu Kämpfen kam, in denen selbst der hellblickende Thomastus parteinehmend zum Vertheidiger seiner Freunde, darunter auch Francke, wurde – leider ohne Erfolg; die protestantisch dogmatische Unduldsamkeit trieb auch Francke aus Leipzig, nachdem er schon vorher einmal das Pleiße-Athen verlassen, eine Zeit lang in Lüneburg und dann einige Monate in Dresden bei Spener, der dort Hofprediger war, sich aufgehalten hatte. Im Jahre 1690 wurde Francke zum Diaconus der Augustiner-Gemeinde nach Erfurt berufen, und es mag ihn wohl mit hoher Freude erfüllt haben, da zu lehren