vor Gott erscheint und sich selbst erhöht in seiner Tugend, so wird er von Gott erniedrigt, verdammt. Und der Zöllner, der sich vor Gott erniedrigt, wird von Gott erhöhet und als ein Kind Gottes zum Erben des ewigen Lebens ernannt. So ernst ist es also mit der Selbsterniedrigung, denn es steht die Seligkeit auf dem Spiel, wenn du dich nicht erniedrigst vor Gott und Menschen. Wenn du dich aber im Gegenteil selbst erhöhest, so wird es nicht gehen wie in dem Gleichnis: Freund, weiche diesem, und du müßtest an den untersten Platz, denn das wäre keine Strafe, wenn du an der Ewigkeitstafel den untersten Platz einnehmen dürftest. Der unterste Winkel dorten ist wahrlich noch ein beneidenswerter Platz. Wer sich nicht für einen Sünder bekennt, der bekommt keinen Platz im Himmel, er wird hinunter gestoßen in die Hölle. Es geht ihm wie dem Hochzeitsgast, der kein hochzeitlich Kleid an hatte, und betreffs dessen der Hochzeitsherr sagte: „Werfet ihn hinaus in die äußerste Finsternis, da wird sein Heulen und Zähnklappen.“
Das ewige Leben also steht auf dem Spiel, wenn du dahin gehst in deiner Selbstgerechtigkeit und meinest, du wärest gerecht, wie wohl du doch watest im Wasser der Sünde und deine Kleider bespritzest mit dem Schmutz derselbigen. Wenn du nicht bekennst, daß du ein Sünder bist, geht deine Seele verloren, und der HErr muß für einen solchen Stolz dich erniedrigen bis in die unterste Hölle. Den Unbescheidenen, der sich erhöhet im Sinn der Unbescheidenheit, den demütigen seinesgleichen, die Menschen; wer sich aber selbsterhöhet im Sinne der Selbstgerechtigkeit, den erniedrigt Gott, in dem er ihn verdammt.
Darum laßt uns das ernste Wort wohl beherzigen und befolgen: Wer sich selbsterniedrigt, der soll erhöhet werden, wer sich aber selbsterhöhet, der soll erniedrigt werden. Die Bescheidenheit ist eine Zier, dieser denke nach. Die Demut erniedrigt sich selbst, sie ist mehr als Bescheidenheit, sie ist ein Lob in Gottes Augen, der Weg zur göttlichen Größe, ihr trachtet nach. Aber die Reue und das bußfertige Bekenntnis ist der Weg zur Seligkeit, zur Vergebung der Sünden. Jaget ihr nach und bekennet eure Sünde, dann wird der HErr euch zu Gnaden annehmen und zu seinen Kindern erklären und zu Erben seines Reiches. Und dann haben wir auch einen Platz an seiner Tafel bei dem ewigen Freudenmahle. Das wolle Gott uns geben um Christi willen. Amen.
Johannes Deinzer: Zwei Predigten vom sel. Missionsinspektor Johannes Deinzer. ohne Verlag, Bryan (Ohio) 1908, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Predigten_vom_sel._Missionsinspektor_Johannes_Deinzer.pdf/13&oldid=- (Version vom 30.6.2016)