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im Geiste eine feinere Fähigkeit der Auffassung und Unterscheidung auszubilden. Das taten die Griechen, und wenn wir mit dem kritischen Intellekt der Griechen unsere Bekanntschaft machen, müssen wir gewahren, daß zwar unser Stoffgebiet in jedem Betracht größer und reicher ist als ihres, daß aber sie die einzige Methode besitzen, mittels derer die Gegenstände erklärt werden können. England hat eine Sache geleistet; es hat die öffentliche Meinung erfunden und festgesetzt, die ein Versuch ist, die Ignoranz der breiten Masse zu organisieren und sie zur Würde physischer Gewalt zu erheben. Aber die Weisheit hat sich immer vor England verborgen gehalten. Als Denkwerkzeug betrachtet ist der englische Geist roh und unentwickelt. Das einzige, was ihn läutern kann, ist das Anwachsen des kritischen Instinktes.

Die Kritik wiederum ist es, die durch Konzentration die Kultur möglich macht. Sie nimmt die ungefüge Masse der Werke der schaffenden Kunst und destilliert sie zu einer feineren Essenz. Wer, der irgend Sinn für Form bewahren will, könnte sich durch die ungeheuerlichen massenhaften Bücher durchwinden, die die Welt produziert hat, durch die Bücher, in denen das Denken stammelt oder die Ignoranz brüllt? Der Faden, der uns durch das mühevolle Labyrinth leiten soll, ist in den Händen der Kritik. Ja, noch mehr, wo es keinen Bericht gibt und die Geschichte entweder verloren oder nie geschrieben worden ist, kann die Kritik uns die Vergangenheit aus dem kleinsten Bruchstück sprachlicher oder künstlerischer Überlieferung wiederherstellen, und zwar gerade so sicher, wie der Mann der Wissenschaft uns aus einem kleinen Knochen oder dem bloßen Abdruck eines Fußes in einem Gestein den geflügelten