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an den Vierzigern ist oder Mitglied der Akademie wird, oder ein anerkannt beliebter Romanschriftsteller ist, dessen Bücher bei den Bahnhofsbuchhändlern der Provinz reißend abgehen, kann man sich das Vergnügen machen, ihm zu zeigen, wie er ist, aber man muß auf den Genuß verzichten, ihn zu bessern. Und das ist, wie ich wohl sagen darf, ein Glück für ihn; denn ich hege keinen Zweifel, daß Besserung eine viel schmerzlichere Prozedur ist als Strafe, in Wahrheit die schwerste und moralischste Form der Strafe ist – aus welcher Tatsache es sich erklärt, daß die Besserungsversuche der Gesellschaft an dem interessanten Typus, den man Gewohnheitsverbrecher nennt, so gänzlich fehlgeschlagen sind.

Ernst: Aber könnte es nicht sein, daß der Dichter der beste Beurteiler der Dichtung, und so der Maler der Malerei ist? Jede Kunst sollte in erster Linie sich an den Künstler wenden, der in ihr tätig ist. Sein Urteil wird doch gewiß das wertvollste sein?

Gilbert: Alle Kunst wendet sich lediglich an das künstlerische Temperament. Die Kunst richtet sich nicht an den Spezialisten. Sie beansprucht, universal und in all ihren Erscheinungsformen eins zu sein. In Wahrheit ist der Künstler so wenig der beste Kunstrichter, daß ein wirklich großer Künstler niemals die Werke anderer und in der Tat kaum seine eigenen beurteilen kann. Gerade die Konzentration der Anschauung, die jemanden zum Künstler macht, beeinträchtigt eben durch ihre Intensität seine Urteilsfähigkeit. Die Energie des Schaffens treibt ihn blindlings weiter bis zu seinem Ziel. Die Räder seines Wagens wirbeln den Staub wie eine Wolke rings um ihn. Die Götter sind vor einander verborgen. Sie können ihre Verehrer erkennen. Weiter nichts.

Ernst: Du sagst, ein großer Künstler könne die Schönheit