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Massen wohnt, wird im Geist widergespiegelt. Die Wiederholungen des Musters geben uns Ruhe. Die Wunder der Zeichnung beschwingen die Phantasie. Schon in dem bloßen Zauber des Materials, das verwandt wird, liegen Elemente der Kultur. Und das ist nicht alles. Durch ihre bewußte Weigerung, die Natur als Schönheitsideal anzuerkennen oder der Nachahmungsmethode des gewöhnlichen Malers zu folgen, bereitet die dekorative Kunst nicht nur die Seele darauf vor, Werke wahrhaft poetischer Kunst zu empfangen, sondern sie bringt in ihr auch den Sinn für Form heraus, der die Grundlage des schöpferischen und ebenso des kritischen Vollbringens ist. Denn ein wahrer Künstler ist, wer nicht vom Gefühl zur Form, sondern von der Form zu Geist und Pathos vorwärts geht. Er konzipiert nicht erst eine Idee und sagt dann zu sich: „Ich bringe meine Idee in ein zusammengehöriges Strophengebilde von vierzehn Zeilen“, sondern er ist der Schönheit des Sonettenschemas inne, konzipiert gewisse Sprachmelodien und Reimweisen, und die reine Form führt dann mit sich, womit sie sich erfülle und sich für Geist und Empfindung fertig ergänze. Von Zeit zu Zeit schimpft die Welt auf den oder jenen bezaubernden Künstler-Dichter, weil er, wie es in ihrer abgedroschenen, albernen Wendung heißt, „nichts zu sagen hat.“ Aber wenn er etwas zu sagen hätte, täte er es wahrscheinlich, und das Resultat wäre erbarmungswürdig. Gerade weil er nichts Neues zu künden hat, kann er ein schönes Werk schaffen. Er nimmt seine Inspiration aus der Form, lediglich aus der Form, wie es dem Künstler ziemt. Eine wirkliche Leidenschaft würde ihn zugrunde richten. Alles, was tatsächlich vorfällt, ist für die Kunst verdorben. Alle schlechte Poesie kommt von