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Künstler, dessen Werk in Wahrheit nur insofern von Wert sein kann, als es dem Kritiker eine Anregung für eine neue Stimmung des Denkens und Fühlens gibt, die er mit gleicher oder vielleicht größerer Besonderheit der Form verwirklichen und mit Hilfe eines neuen Ausdrucksmittels in anderer Art schön machen und vollkommener gestalten kann. Nun scheint mir, du denkst über meine Theorie etwas skeptisch. Oder tue ich dir unrecht?

Ernst: Ich denke nicht eigentlich skeptisch darüber, aber ich muß zugeben, daß ich sehr stark die Empfindung habe, so ein Werk, wie es der Kritiker nach deiner Darstellung hervorbringt – und schöpferisch muß dieses Werk ohne Frage heißen –, ist notwendigerweise rein subjektiv, während das größte Werk immer objektiv ist, objektiv und unpersönlich.

Gilbert: Der Unterschied zwischen einem objektiven und subjektiven Werk bezieht sich nur auf die äußere Form. Er ist zufällig, nicht wesentlich. Alles künstlerische Schaffen ist völlig subjektiv. Sogar die Landschaft, die Corot schaute, war, wie er selbst sagte, nur eine Stimmung seines eigenen Geistes; und die großen Gestalten des griechischen oder englischen Dramas, die eine tatsächliche Existenz von sich aus zu besitzen scheinen, unabhängig von den Dichtern, die sie hinstellten und formten, sind, wenn man sie aufs Letzte bringt, lediglich die Dichter selbst, nicht wie sie ihrer eigenen Meinung nach waren, sondern wie sie ihrer eigenen Meinung nach nicht waren und wie sie also gerade durch diese Meinung in seltsamer Weise, wenn schon nur für einen Augenblick, wirklich gewesen sind. Denn aus uns selbst können wir niemals herausgehn und ebensowenig kann in dem schöpferischen Werk etwas sein, was in dem Schaffenden nicht war. Ja, ich