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Dadurch, daß es den absolut mechanischen Prozeß alles Handelns enthüllt und uns so von der selbstauferlegten und beengenden Last der moralischen Verantwortlichkeit befreit hat, ist das wissenschaftliche Prinzip der Vererbung sozusagen der Bürge des beschaulichen Lebens geworden. Es hat uns gezeigt, daß wir nie weniger frei sind, als wenn wir zu handeln versuchen. Die Vererbung hat uns mit den Netzen des Jägers umstellt und hat auf die Wand die Prophezeiung unsres Schicksals geschrieben. Wir können sie nicht gewahren, denn sie ist in uns. Wir können sie nicht sehen, außer in einem Spiegel, der die Seele spiegelt. Sie ist Nemesis ohne ihre Maske. Sie ist das letzte Fatum, und das schrecklichste. Sie ist der einzige von allen Göttern, dessen wirklichen Namen wir wissen.

Und doch, während sie im Bezirk des praktischen und äußeren Lebens die Energie ihrer Freiheit und das Handeln seiner Willkür beraubt hat, im Bezirke der Subjektivität, wo die Seele wirksam ist, kommt dieser schreckliche Schatten mit vielen Gaben zu uns, Gaben seltsamer Temperamente und verfeinerter Empfänglichkeit, Gaben wilder Gluten und kalter Stimmungen der Gleichgültigkeit, vielfachen, vielgestaltigen Gaben von Gedanken, die nicht zusammengehören, und von Leidenschaften, die gegeneinander streiten. Und so leben wir nicht unser eigenes Leben, sondern das Leben der Toten, und die Seele, die in uns lebt, ist nicht eine einzelne spirituelle Entität, die uns zur Person und zum Individuum macht, die zu unserm Dienst geschaffen wurde und, um uns zu erfreuen, in uns einging. Sie ist etwas, das an furchtbaren Orten geweilt hat und in alten Gräbern gehaust hat. Sie ist an vielen Krankheiten krank und hat Erinnerungen an seltsame Sünden. Sie ist