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Perlenglanz und Purpur der Seemuschel in der Kirche von San Marco in Venedig widertönt; gerade wie das Gewölbe der wunderhaften Kapelle von Ravenna in der Pracht des Gold und Grün und Saphir des Pfauenschwanzes erglänzt, obwohl die Vögel der Juno nicht darauf fliegen, so gibt der Kritiker das Werk, das er kritisiert, in einer Form wieder, die nie nachahmend ist, und ihr Reiz wird gerade zum Teil daher kommen, daß die Ähnlichkeit nicht da ist. Auf diese Weise zeigt uns der Kritiker nicht bloß den Sinn, vielmehr auch das Geheimnis der Schönheit; er verwandelt jede Kunst in Literatur und löst so einmal für alle das Problem der Einheit aller Künste.

Aber ich sehe, es ist Zeit zum Essen. Wenn wir einigen Chambertin und ein paar Ortolane kritisch zerlegt haben, wollen wir dazu übergehen, den Kritiker in der Rolle des Interpreten zu betrachten.

Ernst: Ah! Du gibst also zu, daß der Kritiker sich gelegentlich erlauben darf, den Gegenstand so zu sehen, wie er an sich in Wirklichkeit ist.

Gilbert: Ich bin mir nicht ganz sicher. Vielleicht gebe ich es nach dem Essen zu. Es liegt eine besondere Kraft im Essen.