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hätte er ebensogut gleich die Wahrheit sagen können. Nein, mit den Politikern ist nichts los. Einiges könnte man vielleicht zugunsten der Advokaten vorbringen. Ihre Schultern tragen jetzt den Sophistenmantel. Ihr gemachtes Pathos und ihre unwahre Rhetorik sind entzückend. Sie können die schlechtere Sache als die bessere erscheinen lassen, als ob sie frisch aus einer Sophistenschule gekommen wären, und sie haben gezeigt, daß sie widerstrebenden Geschworenen glänzende Freisprechungen für ihre Klienten entpressen können, selbst wenn diese Klienten, wie es oft vorkommt, offenbar und unverkennbar unschuldig sind. Aber die Prosa ihres Handwerks macht sie klein und sie schämen sich nicht, Präzedenzfälle anzuführen. Trotz ihren Bemühungen kommt die Wahrheit an den Tag. Selbst die Zeitungen sind entartet. Man kann sich jetzt völlig auf sie verlassen. Man fühlt es, wenn man durch ihre Spalten watet. Was einem aufstößt, ist immer die Unlesbarkeit. Ich fürchte, zugunsten des Anwalts oder der Journalisten wird nicht viel vorzubringen sein. Übrigens, wofür ich eintrete, ist das Lügen in der Kunst. Soll ich dir vorlesen, was ich geschrieben habe? Du könntest viel Nutzen davon haben.

Cyrill: Gern, wenn du mir eine Zigarette gibst. Danke. Nebenbei, in welcher Zeitschrift wird er erscheinen?

Vivian: In der Retrospektiven Rundschau. Ich sagte dir wohl, daß die Mitglieder sie wieder ins Leben gerufen haben.

Cyrill: Was meinst du mit den „Mitgliedern?“

Vivian: Oh, die blasierten Hedonisten natürlich. Das ist ein Klub, dem ich angehöre. Man behauptet von uns, wir trügen bei unsern Zusammenkünften verwelkte Rosen im Knopfloch und trieben eine Art Kultus mit