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Zwei Feine Gleichnisse von der Weisheit dieser Zeiten zu Nutz und Frommen des lieben Christenvolkes mit einer Vorrede und Randglossen versehen
Adams Traum und Erwachen

I.
Adams Traum und Erwachen.

 Als Adam in der Fremde Bann** Als er, aus dem Paradies verjagt, im Elend saß
Einst trüb an einem Abend sann,
Auf seinem Lager einsam wachte,
Sein und der Seinen Loos bedachte
Und in das Dunkel sah hinaus,
Das mehr und mehr umfloß das Haus,
Beschlich ihn unter einem Dach
Ein tiefer Schlummer allgemach,
Da – wie gelöst von Leibesbanden –
Der Seele Kraft und Sinnen schwanden.

 Die Nacht sank nieder stumm und schwer;
Nur eine Schlange kroch umher,
Die an der Lager statt auftauchte
Und in des Schläfers Ohren hauchte,** Verstehe! die alte Schlange haucht ihm jetzt den Traum ein.
Indessen draußen auf dem Gras
Ein muntrer Affe schweigsam saß,
Der mit gar pfiffigem Gesicht,
Als gieng ihm auf ein neues Licht,
Nach einem Ast mit Steinen zielte
Und mit gestohlnen Aepfeln spielte.** Die verbotene Frucht, die Sünde achtet er für Spiel und Spott: das ist das neue Licht!

 Und drinnen in der Hütte Raum
Umspann den Schläfer bald ein Traum,
Der unter wunderlicher Hülle
Ihm zeigte der Gesichte Fülle:
Wie aus des Kerkers Bann und Acht** Von des göttlichen Worts Schranke und Drohung.
Sich eine Enkel frei gemacht,
Und seiner Nachgebornen Brust
Erschlossen sich zu frischer Luft,
Weil sie – der Schmach und Nacht entwunden** Weil sie sich durch die Aufklärung von der schimpflichen Dummheit losgemacht, noch an Himmel und Hölle zu glauben.
Ein neues Paradies gefunden.

 Es war ein Garten wundersam,
Darein im Traume Adam kam,
Mocht’ immer er auch Abends lauschen,
Man hört’ nicht Gottes Stimme rauschen,** Wie weiland im Paradiese.
Man hörte nichts als Wiederhall
Von Thier und Menschenstimmenschall,

Empfohlene Zitierweise:
: Zwei Feine Gleichnisse von der Weisheit dieser Zeiten zu Nutz und Frommen des lieben Christenvolkes mit einer Vorrede und Randglossen versehen. Abteilung II der Gesellschaft für innere Mission im Sinne der lutherischen Kirche, Nürnberg 1874, Seite 03. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Feine_Gleichnisse_von_der_Weisheit_dieser_Zeiten.pdf/3&oldid=- (Version vom 10.11.2017)