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Vorrede.

 Die zwei Gleichnisse sind schon vor sieben Jahren ersonnen und in Verse gebracht, in jüngster Zeit aber von teuer werther Hand uns überlassen worden zur Verbreitung unter dem Christenvolk, weil sie ja wol auch jetzt noch am Platze sein dürften. Wir meinen, jetzt mehr als je. Denn sie geißeln die verrückt gewordene Weisheit dieser Zeit, das was die neuen Protestanten als den Fortschritt der Cultur und Wissenschaft an die Stelle des guten evangelischen Bekenntnisses in der Kirche einschmuggeln und zur Herrschaft bringen wollen; das stellen die Gleichnisse in seiner Thorheit und Nichtswürdigkeit vor Augen. Wenn sichs an diesen Leuten sonderlich bewährt, was Sprüchw. 14, 9 geschrieben steht: „Die Narren treiben das Gespött mit der Sünde“, so befolgen die Gleichnisse jenes andere Wort, Sprüchw. 26, 5: „Antworte dem Narren nach seiner Narrheit, daß er sich nicht weise lasse dünken.“ Das erste Gleichnis macht darum die neue Entdeckung, daß der Mensch nicht nach Gottes Bild geschaffen, sondern aus einem Affen zum Menschen allmählich geworden, daß er darum so wenig einen freien Willen wie das Thier habe und nur denke, thue und erstrebe, was er eben einen natürlichen Trieben und seinen Verhältnissen nach thun müße, daß es also keine Sünde und Schuld, keine Verantwortlichkeit und kein Gericht, keinen Himmel und keine Hölle gebe, sondern daß der Mensch wie das Vieh lebe und dahinfahre und nicht mehr sei: diese Entdeckung der neuen Weisheit macht das erste Gleichnis nach Gebühr zu Spott. Das andere geißelt die hochmütige Verachtung des demütigen Menschensohnes und den greulichen Unverstand in göttlichen Dingen, wodurch sich das 19. Säculum, d. i. das gegenwärtige Jahrhundert, vor allen seinen Vorgängern auszeichnet und vor jedem halbwegs unterrichteten Christen finde zu Schanden werden muß. Darum wäre es unbegreiflich, wie es so weit kommen und wie solcher Wahnsinn allenthalben als Wissenschaft, Cultur und Fortschritt gerühmt werden könnte, wenn man nicht die Macht des Fleisches und des Weltsinnes über das Menschenherz kennte und man nicht wüßte, wie der gerechte Gott nach Zeiten großer Geduld und vielfältiger Gnadenerweisung über die unbußfertige Welt einen Taumelkelch ausgieße ihr zum Gericht.

 Darum achten wir es für heilsam, denen, die redlichen Herzens und noch nicht ganz betäubt sind von dem Taumel, der so viele hinreißt und immer weiter um sich greift, mit diesen beiden Gleichnissen einige stärkende und erquickende Tropfen zu bieten, von denen die Augen wacker und die Herzen fest werden können.

 Sie sind für Hohe und Niedere, für Gebildete und Ungebildete oder Ungeschulte. Für letztere sind zu besserm Verständnis die Randglossen beigefügt. Die erstern aber mögen sich nicht daran stoßen als an etwas Ueberflüssigem und Störendem. Sie können die Glossen ja getrost ungelesen lassen und sich am Text allein erfreuen.

 Der treue Gott aber mache alle redlichen Herzen auf allerlei Weise freudig und trotzig zum Kampf gegen das hereinbrechende Heidentum und zum Feststehen gegen alle listigen Anläufe des Bösewichts.




Empfohlene Zitierweise:
: Zwei Feine Gleichnisse von der Weisheit dieser Zeiten. Abteilung II der Gesellschaft für innere Mission im Sinne der lutherischen Kirche, Nürnberg 1874, Seite 02. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Feine_Gleichnisse_von_der_Weisheit_dieser_Zeiten.pdf/2&oldid=- (Version vom 29.10.2017)