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allerdings die Sage aus dem Innern Afrikas; da wir aber diese Berichte nur einzelnen, vielleicht nicht einmal ganz zuverläßigen Weinreisenden verdanken und auch noch kein Exemplar – weder lebendig noch ausgestopft – eingeliefert wurde, so müssen wir die Thatsache noch dahingestellt sein lassen.

Was die eigentliche Urfarbe des Menschen betrifft, so sind die Ansichten darüber noch getheilt und bewegen sich gegenwärtig auf dem Gebiete zwischen schwarz und weiß. Die kaukasische oder weiße Race nimmt nämlich an, daß Adam und Eva weiß gewesen seien, und Sonne wie Klima der verschiedenen Länder später auf die einzelnen abzweigenden Stämme ihren Einfluß ausgeübt hätten. Dies scheint uns am wahrscheinlichsten. Die Neger dagegen haben eine andere Tradition und behaupten, daß Adam und Eva mit Kain und Abel die schönste Ebenholzfarbe gehabt hätten. Mit Kain aber erlitt – eben jener Sage nach – die Sache eine Veränderung.

Als Kain nämlich zu jener Zeit in seinem Bruder Abel den vierten Theil der damaligen Bevölkerung erschlug, rief ihn nach diesem ersten Mord Gott Vater an und sagte: „Kain, wo ist dein Bruder Abel?“ – Darüber nun soll Kain so erschrocken sein, daß er vor lauter Angst kreideweiß wurde. Diese Farbe behielt er auch von da an bei und ging später – den Worten der Bibel nach: „in ein anderes Land und nahm sich eine Frau.“ – Die Weißen sind deßhalb, dem äthiopischen Glauben nach, die Abkömmlinge von Kain, die Schwarzen die von dem erschlagenen Abel, und die Aethiopier haben das in ihrer Sage allerdings für sich, daß ein Mensch vor Angst weit eher weiß als schwarz werden kann.

Aber ich glaube, wir können uns darüber hinwegsetzen. Die Farbe gehört doch nur zur äußeren Hülle des Menschen und steht mit seinem inneren Werth in keiner Verbindung. Nur stolz dürfen wir nicht auf die Farbe werden, denn selbst ein sehr weißer und schöner Teint beweist eigentlich wenig mehr, als daß Träger oder Trägerin desselben – vollkommen Zeit hatte, darauf acht zu geben. Sollten wir uns aber wirklich auf unsere lichte Hautfarbe etwas einbilden, so brauchen wir nur zu erfahren, wie dieselbe von den australischen Wilden beurtheilt wird, und unsere hohe Meinung wird sich dadurch gewiß etwas senken. Dieselben haben nämlich die eben nicht appetitliche Gewohnheit, ihre Todten so lange zwischen zwei mäßige Feuer zu legen, bis sich ihnen die Haut lockert. Diese ziehen sie dann ab und heben sie auf und begraben den also geschundenen Leichnam, den sie in diesem Zustande grinkari nennen. Als sie nun die ersten Weißen erblickten, die mit ihrer bleichrothen Hautfarbe solchen präparirten Todten – ihrer

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Friedrich Gerstäcker: Zur Naturgeschichte des Menschen. In: Hausblätter, 1860, 1. Band. Adolph Krabbe, Stuttgart 1860, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zur_Naturgeschichte_des_Menschen-Gerstaecker-1860.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)