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Durchmesser berechnete und fand, dass der Kreisumfang kleiner als und grösser als seines Durchmessers sei. Das Verhältniss von 22:7 oder ist ein weit verbreitetes, und es ist daher auffallend, dass die Mischna, um 200 nachchristlicher Zeitrechnung geschlossen, und selbst der Talmud, um 500 nachchristlicher Zeitrechnung beendet, nur das Verhältniss von 3:1 anwenden. Es lässt sich aber aus der Form einer Fragestellung und aus der darauf ertheilten Antwort in einer Talmudstelle[1] in Betreff des Verhältnisses von 3:1 beim Kreisumfange und dessen Durchmesser entnehmen, dass, wenn auch die Mischna den in alter Zeit bekannten Werth der Zahl π=3 anwendet, den in mathematicis mitsprechenden Autoren des Talmuds ein genauerer Werth dieser Zahl wohl bekannt war, und dass man selbst für die Zeit der Mischna diesen ungenauen Werth nicht gelten lassen wollte. Sie beschränkten sich nur für die Anwendung in religionsgesetzlichen Vorschriften auf diese Angabe der Zahl π als ganzer Zahl, um in der Praxis eine schnelle Uebersicht zu gewinnen, da doch ohnehin die Zahl π = 3,14159… eine irrationale, also eine in endlicher Form nicht ausdrückbare Zahl ist. Ein Anonymus stellt nämlich Erubin 14a die Frage nach der Begründung des Verhältnisses 3:1 mit den Worten מנא הני מילי, d. h. Woher (aus welcher Bibelstelle) leitet man den Satz ab: „Was im Umfange drei Handbreiten hat, ist eine Hand breit“. Im Talmud werden, wie oben (S. 4) bemerkt, die mathematischen Sätze ohne Beweis hingestellt. Nirgends wird nach einer Begründung derselben gefragt, da sie als bekannt vorausgesetzt wird. Nimmt man hinzu, dass, bei der in talmudischer Zeit unter Sachverständigen vorhandenen Bekanntschaft mit dem Verhältnisse des Kreisumfanges zu seinem Durchmesser, keine Frage über den mathematischen Beweis dieses Satzes unter Männern, die über Mathematisches sich besprechen, gestellt zu werden brauchte, so wird es um so auffallender sein, dass an dieser Stelle ein Beweis dieses Satzes verlangt wird. Endlich ist hier eine Frageform gewählt, auf welche im Talmud immer

  1. Erubin 14a.
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Benedict Zuckermann: Das Mathematische im Talmud. Breslau: , 1878, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zuckermann_Mathematisches_im_Talmud_35.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)