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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

     Mit stolzem Blick sah der Barbar
     vom Fenster auf der Bürger Schaar,
          doch ach, mit schlechtem Dank
               wies er sie fort,

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               und häßlich klang

               das böse Wort:
„Reif seid ihr zum Tode! Ihr steckt vor die Thür
mir Maien? Ihr Hunde, nun ist es an mir!
     Bald steck’ ich den rothen Hahn3)

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          euern Dächern an!“


     Er lachte teuflisch auf, und schlug
     das Fenster zu mit argem Fluch.
          Die armen Bürger sah’n
               ob solchem Wort

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               einander an,

               und schlichen fort.
Aufgab ein Jeder sein irdisches Theil,
und bedachte betend sein Seelenheil,
     und gab auf Befehl die Wehr

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          ohn’ Weigern her.


     Der Mond zieht über Budissin,
     der letzte! bleich und blutig hin;
          die Glocken schlagen drei,
               so dumpf und bang,

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               als ob es sey

               ihr letzter Klang;
noch einmal nur summet ihr Läuten vom Thurm,
und wimmert in heulenden Schlägen Sturm,
     und weckt die Bürger, und zerrt

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          aus der Flamm’ in’s Schwert.



[Ξ] 3)

Jemanden den rothen Hahn aufs Dach stecken, dem Dache anstecken, s. v. a. Jemanden das Haus anzünden.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_236.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)