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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

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     Einst stand er auch im Abendschein

     am Eingang jener Höhle noch,
     und sah, wie neben ihm hinein
     lautkackernd eine Henne kroch.
Schwarz war sie und gesprengt mit Golde,

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und dockt’, als ob sie legen wollte.

     „Ei, denkt er, die legt da hinein!
     Ihr Nest muß in der Höhle seyn.“

     Die Gierde, dieses auszuspähn
     läßt ihm von nun an keine Ruh.

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     Er will durchaus die Eier sehn,

     nur weiß er keinen Weg dazu.
Gar leicht ja konnt er in den wirren
und finstern Schluchten sich verirren,
     wo ihm – das sah er nur zu klar –

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     der Hungertod zu sterben war.


     Alltäglich mit dem Abendstrahl
     zieht’s mächtig ihn zur Höhle hin.
     Er sieht die Henne jedes Mal,
     und endlich kommt ihm was zu Sinn.

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Daß er zurück sich wieder findet,

nimmt er ein Knäuel Garn, und bindet
     es außen fest an einen Stein,
     und fängt die Henne glücklich ein.

     Er bindet an die Pfote ihr

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     des Garnes End’ mit leichter Müh,

     und ohne daß das Wunderthier
     dabei sich sträubte oder schrie.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_228.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)