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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

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aber durch des Fürsten Fragen

     kommt er allgemach in’s Schwatzen,
und erzählt von seinem Gundchen,
     von dem Pabst und Nachbars Katzen.

Gundchen auch in ihrer Kammer

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     war indessen vielbeschäftigt,

hatte die ohnmächt’ge Fürstin
     mit dem Balsamglas gekräftigt,
hatte sie aufs Bett gehoben,
     und behutsam ausgekleidet,

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sie in süßen Schlaf geplaudert,

     und Melissenthee bereitet.

Jeden Odenzug belauschend
     saß sie neben ihr am Bette
rieb sie sanft mit Oel und Kräutern,

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     daß sie süße Lind’rung hätte;

und die Freude! Anna wachte
     schon nach zween Ruhestunden
neugeboren auf vom Schlafe,
     und ihr Leiden war verschwunden.

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Gundchen strählt ihr nun die Haare,

     legt ihr an die Sammtgewänder,
den mit Schmelz besetzten Gürtel,
     Spangen, Glöcklein, Perlen, Bänder.
Freundlich küßt die edle Fürstin

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     ihr die holdgegrübten Wangen:

„Sag’ nun meinem Gatten, daß ich
     seiner harre voll Verlangen.“

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_212.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)