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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

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Er schwebt überm Sattel, sein Rappen entweichet,

     still sieht es die Menge, und mahnt ihn zum Muth,
da plötzlich springt er herab und erbleichet
     und sinket zu Boden, beträufet von Blut.

Zuspringen die Burschen, zuspringen die Mädchen,

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     und heben den blutenden Jüngling empor;

o Jesu, es sprang wie ein purpurnes Fädchen
     das Blut aus zerbissenen Adern hervor

Brigitte umschlang ihn, und netzt ihn mit Zähren:
     „Herzliebster! Ach Herrgott! Mein Friedrich ist todt!

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O daß wir vom Spiele geblieben doch wären!

     Helft, Leute! – Er stirbt mir! Barmherziger Gott!“

Sie riß sich vom Nacken den linnenen Kragen,
     sie riß sich vom Kleide den Saum, und umwand
die Wunden, doch unaufhaltsam durchbrachen

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     die Ströme des Blutes jedweden Verband.


Da stürzte verzweifelnd sie neben ihm nieder,
     die Gespielinnen trugen sie weinend nach Haus,
sie sahe den Inniggeliebten nicht wieder,
     er hauchte sein Leben vor Abend noch aus.


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Kaum daß ihm die Aerzte die Adern verbanden,

     da schloß sein verglommenes Auge sich zu;
drei Tage drauf trugen die Innungsverwandten
     ihn nach Sanct Johannis1) zur ewigen Ruh.


[Ξ] 1)

Die Sanct Johanniskirche in Pegau ist zugleich die Begräbnißkirche.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_204.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)