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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Und eine große Knochenhand
     fährt dräuend aus der Erde,
und krallt sich fest in sein Gewand,
     als ob sie ihn begehrte.

165
Der Pater schreit, wild aufgejagt,

aufspringt er zitternd, und – erwacht;
     des Festesmorgens Helle
     lag golden in der Zelle.

Der Abt tritt ein mit frommen Gruß:

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     „’s ist Zeit, dich anzukleiden,

in wenigen Minuten muß
     die Festesglocke läuten.
Leg’ an das heil’ge Ehrenkleid,
und mach’ in Eile dich bereit!

175
     Schon harren alle Brüder!“

     und eilends ging er wieder.

Unwillig blickt der Pater drein,
     doch nimmt er die Gewänder,
legt sich um’s Haupt den Heil’genschein,

180
     knüpft die Sandalenbänder

sich um den Fuß, und ist bereit:
da tönet hell das Festgeläut,
     und ruft ihn zur Kapelle
     an seine heil’ge Stelle.

185
„Gott dienen? Jämmerliches Loos!

     Dem soll ich bettelnd fröhnen,
der Lust dran hat, erbarmungslos
     des Menschen nur zu höhnen?

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_169.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)