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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

„Die Wahl ist frei! Gott selber mag

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     den Schritt mir nicht verargen;

wie durft’ er doch am Schöpfungstag
     so mit dem Menschen kargen?
Doch Jenseits? – Ha, das ist nur Wahn.
Vielleicht auch nicht! – was geht mich’s an?

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     Ich steh’ ja an der Schwelle,

     ein Schritt – willkommen, Hölle!“ –

„So komm denn, du entsetzlich Buch,
     auf dessen morschen Seiten
des höhern Wissens Heil und Fluch

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     sich um den Leser streiten!

Du standst so lange still im Schrein,
ich sah noch nie in dich hinein,
     doch jetzt – mach’ mich zum Meister
     und Herrscher aller Geister!“

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Er nahm das Buch ernst vor sich hin,

     und schlug es auf mit Beben,
und las; doch konnt’ er keinen Sinn
     den wirren Zügen geben,
und wüste ward’s ihm im Gehirn,

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verzweifelnd rieb er sich die Stirn,

     und rief im wilden Grimme
     mit odenloser Stimme:

„Verdammniß da, Werdammniß dort!
     Mit Gott bin ich zerfallen,

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und nun – die Hölle stößt mich fort!

     Wohlan, ich trotz' euch allen!

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_165.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)