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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

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Eins nur war mir noch geblieben,

     gräßliche Erinnerung,
und für all mein treues Lieben
     Reue und Verzweifelung.“

„Aufgescheucht von meiner Sünde

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     irrt’ ich sonder Ruh und Rast

durch die Wälder, durch die Gründe,
     und das Leben ist mir Last.
So geschah es mit mir Armen,
     seit ich meiner Zell’ entwich.

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Nun – ich fordre kein Erbarmen –

     richte streng und tödte mich!“

Sprach’s. Der Alte bebt zusammen:
     „Ha, dir folgt dreifacher Fluch
auf den Fersen; dich verdammen

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     Meineid, Mord und Ehebruch! –

Doch wie du dich auch vergangen,
     Gott wird dich dereinst dafür
vor den Richterstuhl belangen,
     aber ich – verzeihe dir!“

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„Will dich nicht von hinnen treiben,

     meine Hütte ist zwar klein,
doch du magst schon bei mir bleiben,
     und es wird zum Heil dir seyn.“
So der fromme Greis. Stillweinend

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     nickt den Dank ihm Clara zu,

und er führt sie drauf gutmeinend
     auf die Blätterstreu zur Ruh. –

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_105.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)