Seite:Ziehnert Sachsens Volkssagen II 073.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

1.

Wie ströhmt es nach Dresden von nah und von fern!
Was fahren die Frauen? Was reiten die Herrn?
Von Golde umblitzt, von Rubinen umflammt,
mit Spangen und Bändern, in Seide und Sammt!

5
Zum Adeltanz1) kommen von nah und von fern

aufs Dresdener Rathhaus die Frauen und Herrn;
dort führen sie lustig nach fürstlichem Mahl
den Reigen im festlich erleuchteten Saal.

Wie glühen die Wangen vom Feuer der Lust,

10
wie funkeln die Augen, wie woget die Brust!

Wie reitzend die Frauen, wie artig die Herrn,
so einig in Ehren, vom Argen so fern!

Wer ist dort die Schönste der Schönen im Saal?
Die blonde Mathilde, des Rützschels2) Gemahl,

15
so üppig vom Scheitel bis nieder zur Zeh,

die Wangen wie Rosen, die Stirne wie Schnee.

Und der Schönste der Ritter, wer mag es wohl seyn?
Graf Jeschke von Dohna, so tapfer wie fein.
Wie männlich sein Antlitz, die Locken so lang,

20
wie feurig die Augen, so fürstlich sein Gang!



[Ξ] 1)

Der Adelstanz wurde vom Markgrafen gewöhnlich um Martini auf dem Dresdner Rathhause zur Ergötzlichkeit seiner Vasallen gehalten. Der hier erwähnte am Martinustage des Jahres 1401.

2) Rützschel von Meusegast, aber nach andern Nachrichten Rudolph von Korbitz.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 073. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_073.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)