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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

„Im güldnen Kranz den Leib des Herrn!
     Du großer Bösewicht,

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den Heiland hast du frech geraubt –

     Gott hielt ein recht Gericht!“

Der Fuhrmann ruft’s, und blickt gar lang
     bewegt auf die Monstranz,
und kniet vor das Madonnenbild

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     in Mondes Silberglanz.


„Nimm, heil’ge Jungfrau, deinen Sohn
     zurück aus meiner Hand!
Will fragen überall, wo ihn
     der Bösewicht entwandt.“

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Drauf legt er sacht das Heiligthum

     in einen Kasten ein,
und treibt die Pferde wieder an
     mit Peitschenknall und Schrein.

Die ziehn jetzt rasch und muthig an;

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     der Mutter Gottes Bann

war nun gelöst, und bald der Weg
     nach Leipzig abgethan.

Dort meldet er dem Stadtgericht,
was unterwegs geschehn,

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     die glauben seinen Worten gern,

als die Monstranz sie sehn.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 045. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_045.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)