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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Der Boden war so gleich und glatt,

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     kein Hinderniß im Weg,

drob sinnt der Fuhrmann hin und her,
     was das bedeuten mög.’

Und flehend blickt er auf das Bild
     der Mutter Gottes hin,

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da fährt es jähling, wie ein Blitz,

     ihm seltsam durch den Sinn.

Er faßt den Wandrer bei der Brust,
     und schnaubt’ ihn heftig an:
„Dein Mantelsack birgt Sündengut,

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     und das ist Schuld hieran!“


„Was hast du in dem Mantelsack?
     Gesteh’, und leugn’ es nicht!“
Er rief’s. Der Wandrer sinkt todt hin
     mit bleichem Angesicht.

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Der Fuhrmann faßt den Todten an,

     schon war er starr und kalt,
er schreckt zurück: „Ha, so hast du
     dein Sündengut bezahlt!“

Er reißt des Wandrers Mantelsack

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     vom Wagen, und erschrickt,

als er in ihm, – o arge Greul! –
     das Heiligste erblickt.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 044. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_044.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)