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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Andächtig wohl knieet der Sünder Heer,
     und betet in inniger Wehmuth,
doch wie Conrad so brünstig fleht keiner mehr,

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     keiner kniet in so reuiger Demuth.

Drob werden auch seine Gebete erhört,
die Ruhe allmälig ihm wiederkehrt,
     als ein Priester ihm, daß er entsündigt,
                    verkündigt.

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Da kehren die Beiden nach Deutschland zurück,

     und kommen zum heimischen Schlosse,
und der Ritter verkündet sein seltnes Geschick
     der Reisigen freudigem Trosse.
Drauf geht er zum Grab des erschlag’nen Kaplan:

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„Magst du mir, was Böses ich an dir gethan,

     für dies und das bessere Leben
                    vergeben.“

Und damit seine Reue nie werde alt,
     gebeut er am grauenden Morgen

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dem greisen Vogte, wie möglich so bald,

     für kundige Maurer zu sorgen.
Die müssen ihm sieben Kapellen erbaun,
so wie sie bei Golgatha waren zu schaun,
     in derselben Entfernung und Weite

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                    und Breite.


Und täglich durchwallt er die fromme Station,
     und betet in jeder Kapelle,
und sein alterndes Auge erblindete schon,
     doch im Herzen blieb’s immer ihm helle.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 036. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_036.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)