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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

     Viel Kämpen, mit Kolben und Aexten bewehrt,
     schon zogen wohl gegen das Ungethüm aus,

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     doch lebend war keiner noch wiedergekehrt,

     und keiner mehr wagt sich zum Kampfe hinaus,
denn furchtbar im Rachen des Lindwurms dräuen
der fletschenden Zähne scharfzackigte Reihen.

     Den Klumpen des Leibes, mit Schuppen bedeckt,

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     schob walzend auf niedrigen Füßen sich fort,

     weiß glitzten die Weichen und blutig gefleckt,
     lang dehnte den Schlund das Gelüste nach Mord,
am Rücken noch saßen zwei rudernde Flügel,
krummschlang sich der Schweif wie ein stählerner Bügel.

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     Und sicher, als wüßt’ er, daß Lanze und Speer

     nicht könnten durchdringen sein stählernes Kleid,
     kam täglich der Drache in’s Dörfchen daher,
     und brüllte – das schallte wie weit und wie breit! –
und schnaufte und schnappte begierig nach Beute,

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und ängstlich entflohen zum Schlosse die Leute.


     „Herr König, ach helfet, ach schützet das Land,
     der Drach’ ist im Dorfe und brüllet und schnaubt!
     Herr König, ach schützt uns mit kräftiger Hand,
     bevor er die Heerden uns vollends noch raubt!

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Herr König, Herr König, was sollen wir machen?

Wie mögen wir wehren dem greulichen Drachen?“

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 005. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_005.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)