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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

     Wohl hatt’ er zur Tochter die lieblichste Maid,

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     die Augen wie Azur, die Locken wie Gold,

     die Wangen wie Rosen, und weit wohl und breit
     war keine mehr wie die Prinzessin so hold,
und sittig und folgsam war Ankomarinde,
wohl hatte der König viel Freud’ an dem Kinde.

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     Und doch war sein Antlitz vom Kummer gebleicht,

     sein Haupthaar von Sorgen zu zeitig gegraut,
     und doch war sein Nacken vom Grame gebeugt,
     die Wangen von Thränen des Jammers bethaut,
einschlief er des Nachts und erwachte am Morgen

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und trug sich am Tage mit Thränen und Sorgen.


     „Was seufzt er zum öftern, was hilft mir das Schloß?
     Mir blüht nicht der Garten voll Rosen daran!
     Was nützt mir mein schönes arabisches Roß?
     Was Jagen und Fischen? Es ekelt mich an!

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Mein Theil ist der Jammer, bis mir und den Meinen

wird in der Bedrängniß ein Retter erscheinen.“

     Ein scheußlicher Drache verheerte das Land,
     und würgte mit scharfem zermalmenden Zahn
     und verschlang, was er irgend Lebendiges fand,

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     und keiner der Mannen sich wagte hinan,

denn es schien fast, als wollte mit Todtengebeinen
der Drache sein mooriges Lager umzäunen.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 004. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_004.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)