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durch den seltenen Druck des Satyricon аus dem Jahre 1585 von Janus Dousa in Leyden herausgegeben, den er besitzt.[1]

Ausser Petronius enthielt die Bibliothek Des Esseintes’ noch verschiedene Werke aus dem zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Fronto, dessen trockener Stil voll Archaismen ihn verletzte, und Aulus Gellius, dessen Attische Nächte ihn langweilten, waren aus seiner Sammlung verbannt; den Ehrenplatz nahm Apulejus ein; Des Esseintes besass eine editio princeps in Folio, gedruckt 1469 in Rom, von dessen Werken.

Dieser Afrikaner gefiel ihm. Das Latein seiner Metamorphosen hatte für ihn etwas Neues, Anziehendes. Seine Neologismen, die für die Umgangssprache in einem römischen Winkel Afrika’s erfunden zu sein schienen, entzückten ihn. Der joviale Apulejus bildete einen ergötzlichen Gegensatz zu dem christlichen Apologeten desselben Jahrhunderts, zu dem ermüdenden Minutius Felix, zu Tertullianus u. a., die er alle nur wegen der schönen Drucke seiner Exemplare behielt.

Obgleich Des Esseintes sich ziemlich viel um Theologie bekümmert hatte, liess ihn doch der Kampf der Montanisten gegen die christliche Kirche, und der Widerstand der letzteren gegen die Gnostiker ziemlich kalt, so dass er Tertullianus’ Apologeticus und Abhandlung über die Geduld, trotz ihres höchst eigenartigen Stils, der sich durch Kürze und Doppelsinnigkeit der Ausdrücke auszeichnet, beinahe nie zur Hand nahm, sondern nur zuweilen ein paar Seiten aus seiner Abhandlung De cultu feminarum las, worin Tertullian die Frauen dringend beschwört, sich doch nicht mit edlen Steinen und kostbaren Stoffen zu überladen, sich doch nicht mit Schminke zu bedecken, in der Absicht, dadurch die Natur verbessern und verschönern zu wollen.

Da diese Ideen den seinen gerade entgegengesetzt, machten sie ihm Vergnügen; er fand auch, dass Tertullian als Bischof von Karthago manche Absonderlichkeiten hatte. Er stellte also den Menschen über den Schriftsteller.

Tertullianus lebte in einer sehr stürmischen Zeit, unter Caracalla, unter Macrinus, unter dem wunderlichen Hohenpriester von Emesa, Heliogabalus. Dabei fuhr er ruhig fort, seine Predigten auszuarbeiten, während das römische Reich in seinen Grundvesten erzitterte und die aus Asien Einzug haltende Sittenverderbnis mit Jubel begrüsst wurde. Mit der grössten Gemütsruhe predigte er Keuschheit, Mässigkeit, Einfachheit der Kleider, während Heliogabalus auf Silberstaub und Goldsand wandelte, sich das Haupt mit den priesterlichen Tiaren deckte, ein geistliches Gewand mit Edelsteinen ganz übersät trug, umgeben von seinen Eunuchen Frauenhandarbeiten ausführte und sich Kaiserin nennen liess …

Des Esseintes sah mit Befriedigung diesen Widerspruch; er hatte auch seine Freude daran, wahrzunehmen, wie das bei Petronius auf der

  1. Der thätige Leydener Dousa ist der erste niederländische Herausgeber des Petronius; 1743 gab Petrus Burman eine sehr vollständige Ausgabe seiner Werke; die am meisten gebrauchte Ausgabe unserer Zeit ist die von F. Bücheler aus dem Jahre 1862.
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diverse: Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur. Oppeln und Leipzig: , 1889, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZfSL_-_56.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)