Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

hat Théophile Gautier’s reiche Phantasie uns orientalische Pracht und orientalischen Glanz in seiner bekannten Novelle Fortunio geschildert. Huysmans versucht es, all das Gold und Silber, all das funkelnde Krystall, all die glänzenden Kronleuchter der romantischen Soupers, wie sie le bon Théo beschreibt, mit den verborgenen Schätzen zu überstrahlen, die Des Esseintes um sich her ausbreitet.

Vor allen Dingen lebt Des Esseintes nur in der Nacht. Er frühstückt Nachmittags um fünf Uhr, speist Nachts elf Uhr zu Mittag und nimmt früh fünf Uhr ein leichtes Abendbrot ein.

Ferner hat er sich eine Art kleiner Kajüte bauen lassen, in der ihm seine beiden Bedienten die Tafel herrichten. Sehr merkwürdig ist seine Studierstube und die ausgewählte Bibliothek, die er darin zusammengebracht hat. Alle seine Bücher sind Muster der Buchbinderkunst und alle kostbaren Ausgaben gehören zu ein und derselben Art — es sind lauter lateinische Bücher und zwar aus der spätlateinischen Periode. Seine Vorliebe fürs Lateinische, das er einst in der Schule der Jesuiten gepflegt, hatte ihn zu dieser Wahl bestimmt.

Dem klassischen Latein aus dem grossen Zeitalter eines Cicero und Horaz konnte er keinen Geschmack abgewinnen, da ihm das feierliche Geklapper gleichklingender Adjektiva und Substantiva zu sehr an die Gemessenheit der französischen Schriftsteller aus Ludwig’s XIV. Zeitalter erinnert. Er hat Widerwillen vor Virgil, weil ihn die Schulmeister den „Schwan von Mantua“ nannten, und weil er aufgeputzte Schäfer nicht leiden mag, weil es ihn verstimmte, dass er Orpheus mit einer klagenden Nachtigall verglich, weil er Aristaeus über tote Bienen weinen, und Aeneas wie ein chinesisches Schattenbild vom Anfang bis zum Ende des Epos herumlaufen sah. Aber selbst die würdevollen Dummheiten dieser Marionetten hätte er mit Geduld ertragen; er würde übersehen haben, dass Vergil Homer bestiehlt, und nicht diesen allein, sondern auch Theokrit, Ennius und Lucrez; er würde es entschuldigt haben, dass der Dichter im zweiten Buche der Æneis, wie Macrobius nachgewiesen hat, aus einem Gedichte des Peisandros[1] borgt; aber er kann die Hexameter mit ihrem Geklapper wie von Blechtrommeln, wie von leeren Kochtöpfen nicht ertragen; er kann die immer gleichmässig wiederkehrende Zäsur nicht leiden, er kann es nicht ausstehen, dass jeder Vers mit der langweiligen Aufeinanderfolge eines Daktylus und eines Spondeus schliesst.

Es stört ihn überdiess, dass dies monotone Metrum so viele nichtssagende Flickworte zulässt, dass die homerischen Epitheta so oft der Kraft, der Plastik, der Farbe entbehren.

War daher seine Bewunderung für Virgil mehr als geteilt, seine Achtung vor den naiven Ausdrücken des Ovid nur sehr mässig, so war sein Widerwille gegen Horaz geradezu ohne Grenzen.

Er verglich die verzweifelten Anstrengungen dieses Dichters, anmutig zu scheinen, mit den Bemühungen eines Elephanten, Polka zu tanzen; er wollte das unverständige Geschwätz dieses Stümpers nicht

  1. Ambrosius Theodosius Macrobius hat (etwa 450 nach Christi) in seinen Saturnalium conviviorum libri septem (1868 von Eyssenhardt herausgegeben) auf die Autorität des Servius, des bekannten Kommentators von Virgil hin bewiesen, dass der Stoff zum zweiten Buche der Æneis einer epischen Dichtung des Peisandros entlehnt ist; dieser Dichter stammt aus Rameiros auf Rhodus, und lebte um 648 vor Christi oder etwas später.
Empfohlene Zitierweise:
diverse: Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur. Oppeln und Leipzig: , 1889, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZfSL_-_54.png&oldid=- (Version vom 3.4.2019)