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in der feinen Analyse kleiner Leiden, kleiner Schmerzen, kleiner Qualen Vorzügliches leistet. Das Leben des betrogenen Gatten, — eine Kette unbedeutender Leiden und erschlaffender Täuschungen — ist der Hauptinhalt des Buches; diesem alle Kräfte seines Geistes zu opfern, Zug für Zug mit peinlicher Sorgfalt und ganz ungewöhnlicher Aufmerksamkeit auf Stil und Schreibweise zu behandeln, das ist der Triumph des Verfassers.

Als der Meister der naturalistischen Schule im Jahre 1881 seine Kritik über En Ménage im Figaro schrieb, zog er folgendes Resumé, das wir mit seinen eigenen Worten wiedergeben:

Littérature morbide, dira-t-on. Oui, peut-être. Il y a là une recherche du cas pathologique, un goût pour les plaies humaines. Mais ce que personne ne veut voir, c’est que, si le romancier va à la bête dans l’homme, l’artiste est un sensitif des plus délicats et un merveilleux ouvrier de la langue.[1]


IV.

Im Jahre 1884 überraschte Huysmans die litterarische Welt mit seinem bedeutendsten Werke, A Rebours.

Eine litterarische Revolution ist im Geiste des Verfassers vor sich gegangen. Das Auge immer auf das Sonderbare und Aussergewöhnliche gewandt, voll Hass gegen das Alltägliche und Platte, hatte er bei seinen realistischen Untersuchungen durch Übermass von Studium, durch Auftröseln der unbedeutendsten kleinen Leiden des menschlichen Lebens, gegen die anständige klassische Lehre gesündigt: ne quid nimis. Er hatte immer nach dem Unbekannten, dem Fremdartigen und Wunderbaren gesucht; hatte immer leidenschaftlich nach dem Raffinement gestrebt. In seinem Buch über die lebenden Meister (L’art moderne, 1883), einer Sammlung von Kritiken über die Pariser Salons (1879—82), lässt er deutlich erkennen, wie sehr seine übermüdeten und gefolterten Sinne nach dem Anblick von etwas Aussergewöhnlichem streben. Diejenigen Künstler, die nach dem Urteil der Menge sich eines unbestrittenen Talentes erfreuen, finden vor seinen Augen keine Gnade, weil sie malen, wie man eben gewöhnlich malt. Um Huysmans zu gefallen, muss man Ungewöhnliches leisten, die wirren Träume eines Opiumrausches mit breiten, zusammenhanglosen Zügen — das erscheint ihm als der Gipfelpunkt aller Kunst. Französische Meister wie Carolus Düran, Lefebvre, Landelle, Harpignies, Bonnat (zumal dessen Porträt von Victor Hugo), belgische Meister wie Verhas und de Jonghe, werden mit der äussersten Geringschätzung beiseite geschoben, während er Herkomer und Mesdag hoch erhebt — was diese Beiden freilich auch verdienen; — ebenso Bastian Lepage, Raffaelli, den wunderlichen Maler der Lumpensammler und Landstreicher, Degas, der Tänzerinnen und Clowns malt; Forain, der sich das Publikum der Folies-Bergère zur Darstellung erkoren hat, Zandomeneghi und endlich Odilon Redon, der Gespenster- und Geistererscheinungen auf die Leinwand bringt.[2]

  1. Émile Zola, Une Campagne, 1880—81, Paris 1882, S. 256.
  2. Wie Odilon Redon malt, schildert Huysmans selbst in seinem Art moderne, S. 276. Man vergleiche seine Beschreibung einer Zeichnung Redon’s: Un œil blanc roule dans un pan de ténèbres, tandis [53] qu’émerge d’une eau souterraine et glaciale, un être bizarre, un amour vielli de Prud’hon, un fœtus du Corrège, macéré dans un bain d’alcool, lequel nous regarde, en levant le doigt, et plisse sa bouche en un mystérieux et enfantin sourire.
Empfohlene Zitierweise:
diverse: Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur. Oppeln und Leipzig: , 1889, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZfSL_-_52.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)