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handelnd bewegen liess. Dieses plastische Talent ist einem Romanschriftsteller, der den Beifall eines grossen Leserkreises erringen will, unumgänglich notwendig. Huysmans aber ist kein Plastiker; er ist nur Maler, vielleicht sogar weniger als das. Er skizziert mit Kohle, und übertrifft in zierlichen Kunsteffekten manchmal selbst Zola, aber seine Gestalten überwinden niemals das Skizzenhafte und Unbestimmte von Kohlenzeichnungen.


III.

Von diesen Holzkohle -Skizzen kenne ich keine vollendeteren als die Croquis Parisiens, kurze Gedichte in Prosa, zweimal aufgelegt, mit Einschaltung einiger Skizzen aus der ersten Sammlung Drageoir aux Épices. Dies Buch zeigt deutlicher als irgend ein anderes, dass Huysmaus durch und durch ein Künstler ist. Diese kleinen Gedichte sind voll überraschender Züge, und schon die Titel der Skizzen sprechen es aus, dass Huysmans Gedichte in Prosa schreibt, wie weiland Aloysius Bertrand und der nun wieder hochgepriesene Charles Baudelaire, der Verfasser der Petits poèmes en prose. Huysmans überschreibt nämlich eine seiner bizarrsten Skizzen Ballade en prose de la chandelle des six; eine andere: Le poème en prose des viandes cuites au four. Das Gedicht von den „Kerzen, sechs aufs Pfund“, umfasst sechs Strophen, die alle auf denselben Refrain enden:

O chandelle des six, grésillante chandelle.

Die hübscheste Strophe dieses Prosagedichts ist die vorletzte, sie lautet:

„Wenn du, vom Petroleum und anderem Kunstlichte vertrieben, nicht einmal mehr von den Armen gebraucht wirst, so bist du doch gefeiert, mehr als eine Königin je gefeiert worden ist, du qualmende Kerze! Rembrandt, Gerard Dou, Schalken haben dich in unsterblichen Werken gefeiert; sie haben dich den rosigen Schnee der Wangen und Busen verklären lassen und die flatternden Locken der schönen vlämischen Frau, die mit der Hand deine Flamme vor dem Luftzug schützt, ô chandelle des six, grésillante chandelle.“

Ich lasse ein anderes folgen, das der Dichter Ritournelle nennt:

„Ihr verstorbener Mann, der Vater ihrer drei Kinder, schlug sie, so lange er lebte, und starb elend, an übermässigem Absinthgenusse.“

„Seitdem watet sie durch den Schlamm der Strassen ihrem Handwagen nach und kreischt mit gellender Stimme: Schöne Waare! Kauft!“

„Sie ist unbeschreiblich hässlich. Sie ist ein Scheusal, mit einem feuerroten Kopf auf dem Halse eines Athleten; ihre Augen sind blutunterlaufen, ihre mit Schnupftabak gefüllte Nase ist eine wahre Habichtsnase.“

„Ihre drei Kinder hungern; für sie durchwatet sie den Schlamm der Strassen, für sie schiebt sie den schweren Handkarren und schreit: Schöne Waare! Kauft!“

„Ihre Nachbarin ist gestorben.“

„Der verstorbene Mann der letzteren, der Vater ihrer drei Kinder, schlug sie, so lange er lebte und starb elend, an übermässigem Absinthgenusse.“

Empfohlene Zitierweise:
diverse: Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur. Oppeln und Leipzig: , 1889, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZfSL_-_49.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)