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kommen sollen, die regelmäßigen Kurfürstentage stets an demselben Orte zu halten, zumal eine solche Fixierung des Ortes notwendig den einen oder andern der Kurfürsten wegen der Entfernung hätte benachteiligen müssen?

Endlich kann die Klausel, daß die ganze Einrichtung nur so lange bestehen solle, wie es beiden Parteien, d. h. dem Kaiser und den Kurfürsten, gefalle, gewiß ebensogut, wenn nicht mit größerem Recht, als eine Konzession an die Kurfürsten aufgefaßt werden, wie als eine Einschränkung durch den Kaiser, der dadurch eine dauernde Einrichtung hätte verhindern wollen.

Nach alledem glaube ich, daß wir gut tun, das Kapitel so aufzufassen, wie es der Gesetzgeber dem Wortlaute nach verstanden wissen wollte. Der Kaiser, der doch durch das ganze Gesetz bewiesen hatte, daß er die Stellung der Kurfürsten zu heben und zu befestigen bestrebt war, wünschte deren Rat als der ausschlaggebenden Glieder des Reichs öfter und regelmäßiger als bisher für die Zwecke der Reichsverwaltung zur Verfügung zu haben. Deshalb plante er jene Einrichtung, durch welche zugleich den Kurfürsten ein ihrer sonstigen hervorragenden Stellung im Reich entsprechender Platz auch in der Reichsverwaltung zugewiesen wurde. Die Kurfürsten aber, welche die neue Einrichtung vorzugsweise unter dem Gesichtspunkte einer neuen Last betrachteten, ließen sie nur unter gewissen Kautelen zu, unter denen die Widerruflichkeit derselben und die jedesmalige Bestimmung des Ortes nicht ohne ihren Beirat die hauptsächlichsten gewesen sein dürften.

Als möglich zugeben möchte ich nur so viel, daß neben den im Gesetz ausgesprochenen Gründen den Kaiser auch noch die nicht ausgesprochene Absicht zur Einführung von Kurfürstentagen bewogen haben mag, durch diese Einrichtung die weitere Entwicklung der Stellung des Kurfürstenkollegs in der Reichsverfassung in Bahnen zu lenken, weiche den Interessen des Königtums nicht zuwider liefen. Wenn die Kurfürsten sich regelmäßig unter dem Vorsitz und der Kontrolle des Kaisers versammelten, so konnte das leicht die Folge haben, daß sich das Kurfürstenkolleg mehr und mehr zu einem höchsten kaiserlichen Rat entwickele, wodurch eine Rückkehr desselben in Bahnen, wie die Kurfürsten sie unter den Königen Adolf, Albrecht und unter Kaiser Ludwig eingeschlagen hatten, wohl

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Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/83&oldid=- (Version vom 1.8.2018)