abgehaltenen Hofe mit Rat der Kurfürsten erlassen seien. Damit waren den Kurfürsten Mittel genug in die Hand gegeben, ihren Einfluß, ja ihre ausschlaggebende Macht zur Geltung zu bringen. Darüber hinaus eine festere Organisation, eine periodisch zusammentretende Vereinigung oder gar einen ständigen Reichsrat, etwa durch Bevollmächtigte der Kurfürsten gebildet, zu erstreben, dürfte ihnen noch sehr fern gelegen haben. Das waren Gedanken, wie sie erst in den Zeiten der Verwaisung des Reiches unter Königen wie Wenzel und Friedrich III. aufkommen und Gestalt gewinnen konnten, nicht unter einem im Reiche so geschäftig tätigen Herrscher wie Karl. Noch galt der Besuch einer Reichsversammlung als eine Pflicht, als ein Dienst, durch dessen Erfüllung die Fürsten und Stände sich den Dank des Kaisers verdienten, wie das Karl auf dem Nürnberger Tage dem Bischof von Straßburg gegenüber zum schriftlichen und klingenden Ausdruck brachte. Und wie die eigentlichen Reichstage, so scheute man auch andere Versammlungen wegen der großen Mühen und Kosten, welche mit deren Besuch verbunden waren.
Lesen wir nun den Text des c. XII, ohne von Vorstellungen wie die Weizsäckers auszugehen, so gewinnen wir aus dem Wortlaut eher den Eindruck, als wollte der Kaiser den Kurfürsten eine Einrichtung annehmbar machen, von der er sich Erfolge versprach, während jene wenig geneigt waren, auf die Sache einzugehen. Karl schmeichelt den Kurfürsten hier wie auch sonst in der Goldenen Bulle, indem er sie als die Säulen und Grundfesten des Reichs bezeichnet. Er spricht von dem Nutzen, welcher dem Reiche daraus erwachsen werde, wenn sie öfter als bisher zusammenkämen. Er verspricht ihnen sicheres Geleit für die geplanten Versammlungen und will den guten Fortgang ihrer Beratungen von störenden und, wir dürfen wohl hinzufügen, kostspieligen Gastereien frei halten. Der Kaiser verzichtete für diese Versammlungen, doch wohl um sie den Kurfürsten annehmbarer zu machen, auf das Recht der Berufung an einen beliebigen ihm gelegenen Ort, indem er die Wahl des Ortes von ihrem Rat abhängig machte. Wenn die Versammlungen nur zum Zweck der Beratung berufen werden sollen, ihnen also das Recht, für den Kaiser verbindliche Beschlüsse zu fassen, nicht zustehen soll, so darf man darin schwerlich eine
Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)