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Landeshoheit des Königs von Böhmen herstellen lassen. Die inzwischen begonnene Ausgestaltung der Nürnberger Königswahlordnung zu einer Kodifikation der kurfürstlichen Rechte mochte es dem Kaiser nahelegen, auf die förmliche Ausstellung eines Privilegs für Böhmen zu verzichten und statt dessen den Inhalt des Entwurfs in die im Werke befindliche Gesetzgebung aufnehmen zu lassen. Nun aber werden die übrigen Kurfürsten, welche zum Teil wenigstens nachweisbar im Besitze gleicher oder doch fast gleicher Rechte waren, gewünscht haben, daß auch ihnen diese Rechte in dem Gesetze bestätigt würden. Daraufhin dürften dann jene Zusätze in c. IX und X aufgenommen sein, durch welche den anderen Kurfürsten dieselben Rechte wie dem Böhmenkönige zuerkannt wurden; und ebenso das dem gleichen Zwecke dienende ganze Kapitel XI. Jener Privilegien-Entwurf wurde dann zugleich die Grundlage für das am 7. Januar 1356 von den Kurfürsten gefundene und von Erzbischof Gerlach beurkundete Weistum. Es muß dabei dahingestellt bleiben, ob eine wesentliche Abweichung der Urkunde Gerlachs vom Texte der Goldenen Bulle schon dem Entwurfe angehörte oder erst bei Findung des Weistums vom 7. Januar entstanden ist. Während nämlich in c. IX der Goldenen Bulle den Kurfürsten nur das Recht, die bestehenden Zölle zu erheben, zugestanden wird, erkennt das Weistum dem Böhmenkönig die Berechtigung zu, auch neue Zölle zu errichten: „thelonea a preterito instituta seu indicta percipere et nova racionabiliter instituere potuisse et posse.“ Vielleicht war es der Wunsch nach Erlangung gerade dieses wichtigen Rechtes, der die Veranlassung zur Findung des Weistums gab. Es wurde dadurch dem König von Böhmen in bezug auf das Zollrecht dieselbe volle Unabhängigkeit vom Reiche gegeben, welche ihm in bezug auf die Gerichtshoheit bereits in der Goldenen Bulle selbst zugestanden war.

Ob aber eine der Urkunden für die Oberpfalz vom 5. April 1355 als Vorlage anzusehen sei, bleibt trotzdem ungewiß. Es werden nämlich Ausdrücke und Wendungen, wie sie jene Urkunden mit den fraglichen Kapiteln der Goldenen Bulle gemein haben, schon in älteren aus Karls IV. Kanzlei hervorgegangenen Privilegien gebraucht, und zwar in solchen, welche der König 1354 seinem Oheim, dem Erzbischof Balduin

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Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/75&oldid=- (Version vom 1.8.2018)